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sportplatzt schrieb am 19.9. 2003 um 00:00:08 Uhr über

Reduktionsverfahren

geträumt und fünf gezeichnet hat. Wer zweifelt denn daran, daß Wölfe immer im Rudel kommen? Niemand, außer Freud. Jedes Kind weiß das, nur Freud nicht. Freud fragt mit einer verlogenen Gewissenhaftigkeit: Wie soll man erklären, daß es im Traum fünf, sechs oder sieben Wölfe gab? Da er entschieden hat, daß es sich um eine Neurose handelt, greift er zum zweiten Reduktionsverfahren: nicht die verbale Subsumption auf der Ebene der Wortvorstellung, sondem die freie Assoziation auf der Ebene der Sachvorstellung. Das Ergebnis ist dasselbe, denn es geht immer darum, zu einer Einheit zurückzukehren, zur Identität der Person oder des angeblich verlorenen Objektes. Ergo, die Wölfe müssen von ihrer Mannigfaltigkeit gereinigt werden. Die Operation geschieht durch die Assoziation des Traumes mit der Ge,schichte Vom Wolj' und den sieben Geij31ein (von denen nur sechs gefressen wurden). Man kann Freuds Jubel über diese Reduktion miterleben, man sieht buchstäblich, wie die Mannigfaltigkeit der Wölfe verschwindet, um auf die Geißlein überzugehen, die Oberhaupt nichts mit der Geschichte zu tun haben. Sieben Wölfe, die nur Geißlein sind, sechs Wölfe, denn das siebte Geißlein (der Wolfsmann selber) versteckt sich in der Uhr, fünf Wölfe, denn es war vielleicht fünf Uhr, als er seine Eltern beim Koitus beobachtete, und außerdem wird die römische Zahl V mit dem Spreizen der weiblichen Schenkel assoziiert, drei Wölfe, denn die Eltern vögelten vielleicht dreimal, zwei Wölfe, denn die beiden trieben es gerade moi-e ferarum, oder vielleicht hatte das Kind auch zuvor zwei Hunde bei der Begattung gesehen, dann ein Wolf, nämlich der Vater, was man schon von Anfang an wußte, und schließlich kein Wolf, denn er hat seinen Schwanz verloren, ist nicht weniger kastriert als der Kastrator. Wen will Freud an der Nase herumführen? Die Wölfe hatten nie eine Chance davonzukommen und ihr Rudel zu retten: es war von Anfang an klar, daß die Tiere nur dazu da waren, den Koitus der Eltern darzustellen, oder umgekehrt, um durch einen solchen Koitus dargestellt zu werden. Freud weiß offensichtlich nichts von der Faszination, die von Wölfen ausgeht, von dem, was der stumme Ruf der Wölfe bedeutet, von der Aufforderung, Wolf zu werden. Wölfe schauen das träumende Kind sehr aufmerksam an; es ist ja viel beruhigender, sich zu sagen, daß der Traum zur Homosexualität führt und daß das Kind Hunde oder Eltern beim Geschlechtsverkehr beobachtet hat. Freud kennt nur den ödipalisierten Wolf oder Hund, den kastriert-kastrierenden Papa-Wolf, den Hund in der Hundehütte, das Wau-Wau de" Psychoanalytikers. Franny hört eine Sendung über Wölfe. Ich frage sie: Möchtest Du ein Wolf sein? Die hochmütige Antwort: Das ist doch idiotisch, man kann nicht ein Wolf sein, man ist immer acht oder zehn Wölfe, sechs oder sieben Wölfe. Nicht einer allein, nicht sechs oder sieben gleichzeitig, sondem ein Wolf unter anderen, zusammen mit fünf oder sechs

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anderen Wölfen. Wichtig beim Wolf-Werden ist die Ste Menge, und wichtig ist vor allem die Stellung des Subjekts dem Rudel, gegenüber der Wolf-Mannigfaltigkeit, die Art u in der man in sie eintritt oder nicht, der Abstand, den man Weise, in der man in die Mannigfaltigkeit eingeht oder nich Richtigkeit ihrer Antwort zu belegen, erzählt Franny eine »Da ist eine Wüste. Das bedeutet aber nicht, daß ich in der Es ist nur ein Blick über die Wüste. Diese Wüste ist wed noch unbewohnt; sie ist nur wegen ihrer Ockerfarbe und gleitenden, schattenlosen Lichts eine Wüste. Mittend wimmelnde Menge, ein Bienenschwarm, ein Haufen Fuß oder eine Gruppe von Tuaregs. I(,-h b(linde mi(-h am Ran Menge, an der Peripherie; aber i(-h merke, daj3 i(-h mit eine teil mit ihr verbunden bin, mit einer Hand oder einem Fuß. daß diese Peripherie für mich der einzig mögliche Stando würde sterben, wenn ich mich in die Mitte dieses Gewimme ziehen ließe, aber ganz sicher auch, wenn ich diese Menge würde. Meine Stellung ist nicht leicht zu halten, sie ist s schwer zu halten, denn diese Wesen sind pausenlos in Bewe Bewegungen sind unvorhersehbar und haben keinen Rhyth drehen sie sich um, mal bewegen sie sich nach Norden, dann nach Osten, kein Individuum in dieser Menge bleibt im Ver den anderen am selben Platz. Daher bin auch ich ständig in B All das erfordert große Anspannung, aber es gibt mir ein beinahe schwindelerregendes GlücksgefühlDas ist ein s Schizo-Traum. Ganz und gar Teil einer Menge sein und gl völlig draußen stehen, weit weg sein: auf der Grenzlinie, ein gang ä la Virginia Woolf (»Sie würde von keinem Mensche Welt mehr sagen, er sei dies oder das«).
Probleme der Bevölkerung im Unbewußten: alles, was Poren des Schizos, durch die Venen des Drogensüchtigen Gekribbel, Gewimmel, reges Leben, Intensitäten, Rassen und War es nicht Jean Ray5, der den Terror mit Erscheinungen vo Mannigfaltigkeiten verbunden hat? In der Geschichte, wo Haut durch Blasen und Pusteln aufgeworfen wird und in der Zwergenköpfe, die man jeden Morgen mit dem Messer a muß, höhnisch grinsend und abscheulich durch die Poren dri er nicht auch die »Liliputaner-Halluzinationen« mit dem Äbunden@ Ein Schizo, zwei, drei Schizos: »In jeder Pore mei wachse'n Babies- "Bei mir ist es nicht in den Poren, aber i

4. Virginia Woolf, Mi-s. Dallom,av, übers. von Herberth und Marlys Herlitsc furt 1977, S. 13.
5. Vgl. zu Jean Ray: LHei-iie, Nr. 38, Paris 1980. [A.d.Ü. 1



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