Im siebenzehnten Jahrhundert beginnt bereits eine definitive Befreiung für einen Theil der früher verseuchten Länder Europas. England, das sich schon frühzeitig durch ein sehr ausgebildetes Sperrsystem zu schützen versucht hatte, übersteht 1665, Irland bereits im Jahre 1650 seine letzte Epidemie. Nordfrankreich und die Schweiz kennen nach 1668, Spanien nach 1681, Schweden und Dänemark sogar nach 1657 keine Pest mehr. Das westliche Deutschland reinigt sich um 1667, ein großer Theil des östlichen von 1682 ab. Auf anderen Punkten ist die Befreiung nur eine scheinbare: mit neuer Kraft stößt der Strom der Seuche noch in den beiden ersten Decennien des 18. Jahrhunderts über die Türkei nach Ungarn und Polen, nach Schlesien, Posen, Preußen, Rußland, nach Steyermark, Böhmen und der Lausitz vor, mit einer verheerenden Welle überschwemmt sie den Süden Frankreichs im Jahre 1721. Dann erfolgt ein weiteres Ebben: Siebenbürgen, Ungarn, Südrußland, Polen, Dalmatien, kurz die der Türkei zunächst liegenden Gebiete stellen sich in dieser Periode (1717 bis 1797) als die Ufer des Pestbezirkes dar. Im Anfange des laufenden Jahrhunderts walten ähnliche Verhältnisse, nur daß das eigentliche Pestgebiet sich immer mehr einengt und nur durch gelegentliche Durchbrüche (nach der Walachei, nach Griechenland, nach Siebenbürgen, den Küsten Italiens) von der Gefährlichkeit seiner Nachbarschaft Beweise liefert. Nach 1830 endlich lernen wir als einzig von der Pest leidende Gebiete noch die europäische Türkei, Syrien und Aegypten kennen und sehen die Bewohner dieser Länder im Streit über den unheilvollen Besitz: die Aegypter behaupten, daß ihnen die Pest stets aus der Türkei und Syrien, und die Syrer, daß ihnen die Krankheit immer aus der Türkei und Aegypten gebracht worden ist. Am heftigsten aber lehnten die Türken es ab, die ursprünglichen Erzeuger und Besitzer der Pest zu sein, und wurden nicht wenig in ihrer Behauptung bestärkt, als nach der Einführung strenger Quarantänen, das heißt seit dem Jahre 1838, die Krankheit auch aus Constantinopel wie aus der ganzen europäischen Türkei spurlos verschwand, während sie in Kleinasien und Aegypten noch mehrere Jahre später verheerend auftrat.
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