Der Phasenraum (auch: Zustandsraum) ist der mathematische Raum, der von den zeitlich veränderlichen Variablen eines dynamischen Systems aufgespannt wird.
Meist handelt es sich dabei um die Lösungen von Differentialgleichungssystemen, aber auch andere Systeme, wie etwa iterierte Abbildungen sind möglich. Jede Kombination der einzelnen Werte dieser Variablen entspricht dann einem Punkt im Phasenraum und wird auch Zustand genannt. In der Mechanik kann ein solches System zum Beispiel durch den Ort und den Impuls eines bewegten Teilchens gegeben sein, in der Thermodynamik durch Zustandsgrößen wie Druck und Temperatur, in der Biologie durch die Populationsbestände konkurrierender Spezies.
Der Phasenraum kann auch sehr hochdimensional sein, wenn etwa in der Mechanik die Bewegung vieler Teilchen zugleich erfasst werden soll. Es lässt sich mathematisch zeigen, dass die Punkte des Phasenraumes das betrachtete System eindeutig charakterisieren. Die Menge aller Punkte, die von einem bestimmten Anfangspunkt aus die zeitliche Entwicklung des Systems bestimmen, heißt Trajektorie. Trajektorien im Phasenraum sind kreuzungsfreie Kurven. Würden sie sich kreuzen, hätte man geschlossene Orbits. Interessant ist die Frage der Ergodizität (bzw. Quasiergodizität). (Quasi)Ergodizität bedeutet, dass die Trajektorie den gesamten Phasenraum ausfüllt, bzw. jedem Punkt (quasi) beliebig nahe kommt.
Phasenraumtrajektorien verlaufen stets in einer bestimmten Richtung. Nimmt der Abstand zwischen annähernd parallel verlaufenden Trajektorien in einem Bündel ab, sinkt das Phasenraumvolumen. Das System nennt man dann dissipativ. Dissipative Systeme verlieren Energie durch Umwandlung. Systeme mit konstantem Phasenraumvolumen heißen konservative Systeme. (Sie konservieren die Energie.) Das gleiche wird mathematisch durch den Satz von Liouville ausgesagt.
Der Phasenraum gibt eine Möglichkeit, die zeitlichen Entwicklungen dynamischer Systeme graphisch zu analysieren. Diese Darstellung heißt Phasenportrait oder Phasenraumportrait. Einige charakteristische Strukturen des Phasenraums können so auch ohne explizite Berechnung der Lösungsfunktionen erfasst werden, z. B. kritische Punkte, an denen sich das System zeitlich nicht ändert. Durch eine lineare Stabilitätsanalyse kann auch bestimmt werden, ob Trajektorien in der Nähe dieser Punkte angezogen oder abgestoßen werden. So lässt sich bereits das qualitative Verhalten der zeitlichen Entwicklung abschätzen.
Das Konzept des Phasenraums wird in vielen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen benutzt und zum Teil unterschiedlich spezifiziert.
In der hamiltonschen Mechanik ist der Phasenraum der Raum der Orte und Impulse. Bei einer Teilchenzahl N ist dieser Raum also 6N-dimensional. Das zugehörige Differentialgleichungssystem wird aus den hamiltonschen Bewegungsgleichungen gebildet.
Die Lagrange-Mechanik benutzt in ähnlicher Weise den sogenannten Konfigurationsraum, der allerdings nur von den Orten der betrachteten Teilchen aufgespannt wird. Bei N Teilchen ist der Konfigurationsraum also 3N-dimensional.
In der Thermodynamik werden im Zustandsraum zwei thermodynamische Zustandsgrößen, wie etwa Druck und Temperatur, gegeneinander aufgetragen. Ferner wird der Begriff für die Bereiche eines Phasendiagramms zwischen den Phasengrenzlinien benutzt, siehe Zustandsraum (Thermodynamik).
Der Zustandsraum in der (algebraischen) Quantentheorie bezeichnet eine Menge positiver, linearer und normierter Funktionale auf einer Algebra von Observablen.
In der Kognitionswissenschaft und Informatik entspricht der Phasenraum der Gesamtheit aller Zustände, die ein kognitives biologisches System oder ein künstliches neuronales Netz einnehmen kann, siehe Zustandsraum (Neuronales Netz).
In der Automatisierungstechnik wird der Phasenraum als Regelungsstruktur im Zeitbereich benutzt, siehe Zustandsraumdarstellung.
Die Lösungstrajektorien vieler dynamischer Systeme liegen unterschiedlich dicht im Raum. Diese Eigenschaft wird mit der Phasenraumdichte, die auch in der statistischen Mechanik von zentraler Bedeutung ist, beschrieben.
( Wikipedia )
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