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Yadgar schrieb am 23.9. 2019 um 18:40:47 Uhr über

Novachord

Alle Welt, selbst Winfrid Trenkler seinerzeit in »Schwingungen«, erzählt einem, dass ein gewisser Robert A. Moog im Jahr 1964 den Synthesizer erfunden habe... ich muss zugeben, ich habe das auch lange geglaubt, auch wenn ich durchaus von Vorläufern wie dem Trautonium wusste, denen man angesichts ihrer Tonerzeugung Synthesizer-Eigenschaften nicht absprechen kann. Aber diese frühen elektronischen Instrumente wurden in der Regel nicht mittels Tasten gespielt, so dass man sie intuitiv nicht in einer Reihe mit modernen Synthesizern sieht. Abgesehen davon waren es Einzelstücke oder allenfalls in Kleinstserien gebaute Instrumente, die keine Verbreitung über den akademisch-avantgardistischen Musikbetrieb hinaus fanden.

Mit dem 1938 von der amerikanischen Firma Hammond (ja, genau die mit dem Orgeln!) entwickelten und bis 1942 in 1069 Exemplaren gebauten Novachord sieht es allerdings deutlich anders aus: es stellt tatsächlich den ersten echten kommerziell produzierten Synthesizer dar, vollständig auf Röhrenbasis (der Transistor wurde erst 1947 überhaupt erfunden!), mit Oszillatoren, Frequenzteilern, (wenn auch in Stufen) einstellbaren ADSR-Hüllkurven und Filtern, und, man glaubt es angesichts der lange Zeit nur monophonen modernen Synthesizer in den 1970er Jahren fast nicht, 72-stimmig polyphon! Das Ganze dazu Hammond-typisch in einem hochwertigen Massivholzgehäuse, mit einer die ganze Breite der Tastatur ausfüllenden Reglerkonsole aus schwarzem Bakelit.

Der Klang braucht sich hinter den Analogsynthesizern viel späterer Zeit nicht zu verstecken - unter http://www.discretesynthesizers.com/nova/intro.htm wird nicht nur detailliert die Restauration eines der wenigen noch existierenden Novachord-Exemplare beschreiben, es finden sich dort auch zahlreiche Links zu Klangbeispielen.

Dass dieses in jeder Hinsicht erstaunliche Instrument in Vergessenheit geriet, liegt zum einen daran, dass es seinerzeit - obwohl durchaus wie auch die Hammond-Orgel für bürgerliche Hausmusik konzipiert - extrem teuer war, sein Preis entsprach dem eines Einfamilienhauses, und sich daher nur schleppend verkaufte. Zum anderen zwangen die Einschränkungen bei der Materialbeschaffung durch den 2. Weltkrieg Hammond dazu, die Produktion 1942 einzustellen. Nach dem Krieg wurde sie nicht wieder aufgenommen, Laurens Hammond und die Hammond Organ Company konzentrierten sich stattdessen auf den wachsenden Heimorgel-Markt. Erst 1974/75 brachte Hammond noch einmal einen, diesmal natürlich transistorbasierten, monophonen Analog-Synthesizer auf dem Markt (das Modell 102200), dem allerdings auch kein kommerzieller Erfolg beschieden war.

Das Novachord war zwar für Hobbymusiker definitiv zu teuer, aber durchaus beliebt bei Hollywoods Filmproduktionsfirmen - angefangen mit »Vom Winde verweht« bis weit in die 1960er hatte es einen festen Platz in der amerikanischen Filmmusik, daneben gab es eine Reihe zeitgenössischer Komponisten (z. B. Ferde Grofé oder Hanns Eisler), die es darüber hinaus verwendeten.


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