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Die Leiche schrieb am 18.6. 2008 um 14:55:21 Uhr über

Nazigegner

Das Ende der Naziherrschaft liegt heute gute 63 Jahre zurück. Wer damals imstande war, irgendeine Art von Schuld - juristisch oder moralisch - auf sich zu nehmen, ist heute lange im Rentenalter oder tod. Gleichwohl gefallen sich unsere Nazigegner immer noch vornehmlich darin, nach weiteren individuellen Verantwortlichkeiten zu wühlen, und weitere Opfer oder Opfergruppen zu ermitteln, deren in irgendeiner Weise gedacht werden oder die entschädigt werden sollen, müssen, können. Alleine die »Gleichschaltung«, mit der zehntausende von Vereinen und Verbänden brutal unter das braune Joch gezwungen worden sind, rechtfertigt es irgendwann, auch dem gleichgeschalteten Kleingärtnerverband Westphalen-Lippe oder dem Preussischen Philatelistenverein ein Denkmal zu setzen, und an diese tragischen Schicksale zu erinnern - und so weiter ad infinitum. Noch in hundert Jahren wird man wohl irgendwelche Täter und irgendwelche Opfer ausgraben, und hinter finsteren Machenschaften hinterher sein, die in der frühen Bundesrepublik einer früheren Gerechtigkeit oder Wiedergutmachung im Wege gestanden haben - sozusagen die »Sekundärnazis« wie Adenauer, der an seinem Globke und seinem Oberlaender festgehalten hat, beispielsweise. Das könnte auch einen Anspruch derjenigen auf Erinnerung, Wiedergutmachung und Erlösung auslösen, die unter den Sekundärnazis zu leiden hatten - beispielsweise derjenigen, die Minister oder Staatssekretär geworden wären, wenn Adenauer nicht an seinen Altnazis festgehalten hätte. Und so weiter bis hin zum Oberpostsekretär, der nicht zum Inspektor befördert worden war, weil da ein Altnazi saß, den man nicht entnazifiziert hatte - ein wahrhaft himmelschreiendes Verbrechen !

Diese ganze Naziwühlerei geht nur in die Breite, und nicht in die Tiefe. Die gruppendynamischen und sozialpsychologischen Prozesse, die diesen Exzess überhaupt erst ermöglicht haben - und auch immer wieder ermöglichen werden - sie harren immer noch ihrer Erforschung und Mitteilung.

Es scheint mir manchmal so, als bleibe man in vollem Bewußtsein an der Oberfläche, als sei man geradezu froh, immer noch neue Täter und Opfer zu finden, denen man in üblicher, oberflächlicher Art und Weise gedenken kann, um ein wirkliches »Denken« über faschistische Strukturen zu vermeiden.

Schon die ständige Stilisierung des deutschen Faschismus' zur Singularität, zur Einmaligkeit lässt mich Gruseln: denn sie vermittelt das Gefühl einer historischen Ausnahme, die sich ganz gewiss nie mehr wiederholen könne. Doch leider ist das Gegenteil der Fall.


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