Glas ist kein Kristall.
(Sondern eine Flüssigkeit.)
Naja, so fast. Katharina Schneider weiß es genau:
»Im physikochemischen Sinn ist Glas eine eingefrorene, unterkühlte Flüssigkeit«.
Gläser sind demnach Schmelzen, die ohne Kristallisation erstarrt sind. D.h. im Glas finden wir die gleiche Strukturanordnung, die auch in der Flüssigkeit vorzufinden ist, während Kristalle eine andere Struktur aufweisen. Kristalle besitzen eine regelmäßige Anordnung der Bausteine (Fernordnung), bei Gläsern ist hingegen nur eine Ordnung in kleinen Bereichen vorzufinden (Nahordnung).
Eingefroren bedeutet, dass sich im Gegensatz zur Flüssigkeit die Bausteine im Glas nicht mehr bewegen können.
In den 30er Jahren versuchte Zachariasen die Struktur von Gläsern mit Hilfe der Netzwerkhypothese aufzuklären. Er fand heraus, dass die Energieunterschiede zwischen Kristall und Glas derselben Zusammensetzung nur gering sind. Aufgrund dessen kann man darauf schließen, dass in Glas und Kristall die selben Bindungsverhältnisse herrschen, bzw. dass in beiden die gleichen Struktureinheiten, nämlich z.B. SiO2, vorzufinden sind.
Im Kristall sind die SiO4-Tetraeder, die gebildet werden, regelmäßig angeordnet, die Struktur des Glases stellt ein unregelmäßiges Netzwerk dar.
Bei einer regelmäßigen Anordnung der Bausteine, wie hier im Kristall spricht man von einer Fernordnung, während eine unregelmäßige Anordnung der Bausteine, wie in Flüssigkeit oder Glas, Nahordnung heißt.
SiO2 ist ein Glas, das nur aus einer Komponente besteht, es existieren allerdings viele Gläser, die mehrere Komponenten aufweisen. Beispielsweise unser Normalglas ist ein sog. Natron-Kalk-Glas.
Es besteht aus einem Siliciumdioxid-Gerüst, in das Calciumoxid und Natriumoxid eingelagert sind.
Im reinen Siliciumdioxid-Glas sind alle Sauerstoffionen an zwei Siliciumkationen gebunden, sie stellen gewissermaßen Brücken zwischen den Siliciumatomen dar, und werden deshalb als Brückensauerstoffe bezeichnet. Der Einbau von Na2O sprengt nun den geschlossenen Verband auf und es entstehen Si4+-Ionen, an welchen sich nun nur noch ein einfach gebundenes O2--Ion befindet, so dass keine direkte Bindung mehr untereinander vorliegt.
Durch das Einfügen von Na2O sind Trennstellen entstanden. Die einfach gebundenen O2-Ionen werden als Trennstellensauerstoffe bezeichnet. Die basischen Oxide die das Netzwerk verändern oder abbauen werden als Netzwerkwandler bezeichnet, während diejenigen Oxide die durch Polyederbildung das Netzwerk aufbauen Netzwerkbildner heißen.
Beim Abkühlen einer Schmelze nimmt im allgemeinen das Volumen ab. Im Normalfall kommt es am Schmelzpunkt zu einer sprunghaften Volumenverkleinerung, was einer Kristallisation entspricht. Gläser hingegen verdichten sich über einen weiten Temperaturbereich. Im Transformationsbereich gehen Gläser bei langsamer Abkühlung in den spröden Zustand über.
In der Flüssigkeit liegen gesprengte Bindungen vor, d.h. die Bewegungsmöglichkeiten in der Schmelze sind hoch und damit liegt eine niedrige Viskosität vor. Beim Abkühlen steigt die Viskosität durch das Schließen von Bindungen. Kühlt man die Schmelze schnell genug ab, so kommt es zu einem willkürlichen Schließen von Bindungen, da die Bausteine »keine Zeit« haben sich korrekt anzuordnen. Dadurch kommt es zu einer steigenden Viskosität. Ist die Viskosität nun so hoch, dass das die Flüssigkeit gerade nicht mehr fließen kann, ist ein Glas entstanden. Dies ist bei einer Viskosität von 1013 Poise der Fall.
Die Verarbeitung von Gläsern erfolgt bei einer Viskosität von 106 bis 109 P. Der Glasbläser muss wissen bei welchen Temperaturen dieser Viskositätsbereich bei unterschiedlichen Gläsern erreicht ist. Für die Glasverarbeitung werden Viskositätskurven erstellt, um den Bereich der Verarbeitung kenntlich zu machen.
Glas ist bei normalen Temperatur gegen nahezu alle Chemikalien beständig. Einzig Flusssäure ist in der Lage Glas anzugreifen.
Versuch: Ätzen von Glas
Durchführung: In eine Eisenschale deren Boden mit Calciumchlorid bedeckt ist (um überschüssige Flusssäure abzufangen) wird ein Objektträger gelegt. Anschließend wird ein Tropfen Flusssäure auf den Objektträger gegeben.
Ergebnis: Das Glas wird angeätzt.
Interpretation: Die Flusssäure bringt den Hauptbestandteil des Glases (SiO2) in Lösung. Es entsteht Hexafluorokieselsäure und Wasser.
Vorsicht !!! Flusssäure ist extrem ätzend. Schon kleinste Mengen auf einem Körperteil können zu so schweren Verätzungen führen, dass Amputation nötig werden kann.
Gegen andere wässrige Lösungen ist Glas auch nur scheinbar resistent. Bei Berührung wässriger Lösungen mit der Glasoberfläche kommt es zu Reaktion. Die Reaktionsgeschwindigkeiten sind jedoch so gering, dass man Glas als chemisch beständig bezeichnen kann.
a) Berührung mit Säuren
Im Glas können sich Netzwerkwandler frei von Hohlraum zu Hohlraum bewegen. Grenzt ein solcher Hohlraum an die Lösung, so diffundiert das Kation in die Lösung. Um Elektroneutralität zu bewahren gelangt im Gegenzug ein Proton in das Glas. Es findet eine Auslaugung des Glases statt.
b) Berührung mit Lauge
Bei dem Angriff alkalischer Lösung reagieren die Hydroxid-Ionen mit dem Netzwerk unter Einbau. Dies ist gleichbedeutend mit einer allmählichen Auflösung des Netzwerks.
c) Berührung mit reinem Wasser
Zunächst erfolgt ein Ionenaustausch von Na+ und H+. Dadurch wird das Wasser langsam alkalisch und es kommt wie oben erläutert zu einer Auflösung des Netzwerks.
Diese Reaktionen macht man sich beispielsweise bei der pH-Wert- Bestimmung mit der Glaselektrode zu Nutze. In der Glasoberfläche ist aufgrund der Ionenaustausch-Reaktionen eine bestimmte H+-Ionenkonzentration cg vorhanden, die von der vorher vorhandenen Alkalimenge abgängig ist. Gegenüber der Lösung mit der H+-Ionenkonzentration cl besteht eine Konzentrationskette, die nach der Nernst´schen Gleichung eine elektromotorische Kraft E liefert.
Liegt eine Glasmembran vor, auf deren beiden Seiten sich Lösungen verschiedener H+-Ionenkonzentrationen befinden, ergibt sich folgendes Gesamtsystem:
Da der pH-Wert als negativer dekadischer Logarithmus der H+-Ionenkonzentration definiert ist, kann der pH-Wert der untersuchten Lösung berechnet werden.
Im Glas liegen keine freien Elektronen vor, d.h. das Licht im sichtbaren Bereich hat nicht genügend Energie um die Elektronen anzuregen. Glas ist somit im Normalfall durchsichtig. Im UV-Bereich ist die Energie des Lichts groß genug um Elektronen anzuregen, weshalb es undurchlässig für UV-Strahlung ist.
Enthalten Gläser Nebengruppenelemente, so treten Elektronensprünge schon bei geringerer Energie ein, so dass es schon im sichtbaren Bereich zu einer Färbung des Glases kommt.
Quarzglas:
Einziges Einkomponentenglas mit technischer Bedeutung. Geringe Wärmedehnung, hohe Temperaturbelastbarkeit und UV - Durchlässigkeit.
Duran-Glas Borosilicatglas, unempfindlich gegen Temperaturwechsel.
Natron-Kalk-Glas:
Normalglas, hohe Wärmedehnung, darum empfindlich gegen Temperaturwechsel.
Glasfasern breiter Anwendungsbereich in allen Lebensbereichen Lichtleiter, Textilfasern, Nachrichtentechnik, Isolierung, usw.
http://www.uni-bayreuth.de/departments/didaktikchemie/umat/glas/glas.htm
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