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stopthewar schrieb am 15.2. 2003 um 09:28:21 Uhr über

Kniggebogger




Anschwellender Bocksgesang (Kniggebogger für ätzubis)

Philipp Grätzel von Grätz 12.02.2003

Ein Bericht warnt vor den unkontrollierbaren Risiken der
»Atomtechnologie«, in der Bio- und Nanotechnologie, Informatik und
Kognitionswissenschaft verschmelzen

Die Aufregung um Michael Crichtons aktuellen Nanotechnik-Thriller »Beute« hatte
kaum Zeit sich zu legen, da bringt ein neues 80 Seiten starkes Anti-Nano-Pamphlet
namhafter amerikanischer Technikkritiker schon wieder Unruhe in die Welt des
Allerkleinsten. Wetzen die Mikro-Monster wirklich schon die Messer? Gemach,
Gemach ...




Michael Crichton mag es bekanntlich drastisch. In seinem aktuellen Thriller »Beute«, der
Ende vergangenen Jahres dies- und jenseits des Atlantiks die Bestseller-Listen stürmte,
läuft die Wissenschaftlerin Julia in einem bankrotten kalifornischen Start-up-Unternehmen
mental Amok und kreiert sich selbst reproduzierende Nanomaschinchen. Sie sollen, so
Julias Vision, im Körper auf und ab patrouillieren, um gemeine Tumorzellen oder andere
Fieslinge rechtzeitig zu erkennen.




Blöderweise gerät die Sache außer Kontrolle. Die »Nanos« besiedeln Julias Körper und
schließlich die Umwelt. Sie sind klug genug, die befallenen Organismen nicht zu töten,
sondern richten sich in einer Art Symbiose ein, die leider das Gehirn des Trägers in
Mitleidenschaft zieht. Jeglicher Versuch der von Julias Freund schließlich ziemlich
gewalttätig unternommenen antibiotischen Behandlung endet mit dem Tod des
Nano-Infizierten.

Vom Klempner zum Berserker?

In der Sprache der zahlreicher werdenden Nanotechnik-Kritiker heißt ein solches
Szenario »gray goo« (grauer Schmalz). Beim »gray goo« geraten artifizielle Mikroroboter
außer Kontrolle, vermehren sich wie wild und richten Unheil an. Der Alternativ-GAU
dazu heißt »green goo« (grüner Schmalz). Der »green goo« entsteht in der Grauzone
zwischen Nano- und Biotechnik, wenn nanotechnologisch veränderte Mikroorganismen
entweder eine Eigendynamik entwickeln, oder den Organismus schädigen, in den sie zuvor
mit guten Absichten eingesetzt wurden - etwa um Krebszellen zu finden oder verkalkte
Blutgefäßsystem zu sanieren.

Ein Großteil der Nanotechnik-Kritik krankt an dem eklatanten Graben zwischen dem, was
technisch möglich ist, und dem, was an Katastrophenszenarien a la Crichton phantasiert
werden kann. Von sich selbst reproduzierenden Nano-Maschinen, im Fachjargon auch
Assembler oder Selfassembler genannt, ist noch nichts zu sehen. Kein Wunder, es wäre
nichts weniger als die Erschaffung künstlichen Lebens.

Aus Biotech wird Atomtech

Das bislang umfangreichste und wohl bestrecherchierte Werk zur Nano-Kritik wurde jetzt
unter dem Namen The Big Down. Atomtech-Technologies
converging at the nano-scale von der ETC-group (gesprochen:
etcetera) veröffentlicht. »The Big Down« umgeht den geschilderten Graben, indem es vor
allem auf die Gefahren des »green goo« aufmerksam macht, der, weil mit
Mikroorganismen gearbeitet wird, auf die Erschaffung künstlichen Lebens nicht
angewiesen ist.





Industry and governments promise that the manipulation of matter on the scale of the
nanometer (one-billionth of a meter) will deliver wondrous benefits. All
matter-living and non-living-originates at the nano-scale. The impacts of
technologies controlling this realm cannot be overestimated: control of nano-scale
matter is the control of nature's elements (the atoms and molecules that are the
building blocks of everything). Biotech (the manipulation of genes), Informatics (the
electronic management of information), Cognitive Sciences (the exploration and
manipulation of the mind) and Nanotech (the manipulation of elements) will
converge to transform both living and non-living matter. When gmos (genetically
modified organisms) meet Atomically Modified Matter, life and living will never be
the same.






Das ETC ist eine Art Institut für Technikfolgenabschätzung. Es wird u.a. von der
Rockefeller-Foundation gesponsort und hatte vor einigen Jahren durch seine Publikationen
maßgeblichen Anteil an den Imageproblemen des Konzerns Monsanto im Gefolge seiner
Gen-Pflanzen-Politik.

Droht Olympia Nanodoping mit getuneten roten Blutkörperchen?

Das ETC sieht drei Problemfelder im Zusammenhang mit der Nanotechnologie:

Nanopartikel, wie sie bereits vielerorts hergestellt werden, könnten unkontrolliert
Zellen oder Bakterien infiltrieren und als potenzielle Giftstoffe in die Nahrungskette
gelangen, was zum Beispiel zu unerwünschten Immunreaktionen führen könnte.
Die sogenannte Nanofabrikation, bei der supramolekulare Strukturen und schließlich
sich selbst reproduzierende Automaten erzeugt werden sollen, kann außer Kontrolle
geraten und Kettenreaktionen auslösen, die Mensch und Umwelt vergiften.
Die Fusion von Bio- und Nanotechnik eröffnet Missbrauch aller Art das Tor,
angefangen von Doping mit nanotechnologisch effizienter gemachten roten
Blutkörperchen über Gentherapie mit Hilfe biologischer Nanoroboter bis hin zu nie
gekannten Biowaffen.

In der aktuellen Ausgabe der New York Review of Books antwortet
Freeman Dyson auf derartige Katastrophenszenarien liberal-optimistisch. Ohne mögliche
Gefahren zu verneinen, hält er es für durchaus denkbar, dass die
Menschheit vernünftig genug sein wird, auch diese potenziell vernichtende Technik
vernünftig und segenbringend einzusetzen.

Ein möglicher Kandidat für solchen Segen könnte eine Beobachtung
sein, die Forscher der Universität Ulm gerade veröffentlicht haben. Sie arbeiten mit
sogenannten Polysteren-Nanosphären, die selbstorganisierende Eigenschaften besitzen. In
Wasser gelöst können sie offenbar Fluorchlorkohlenwasserstoffe binden. Eines Tages, so
spekulieren die Entdecker, könnten Nanosphären vielleicht in der Stratosphäre eingesetzt
werden, um das Ozonloch zu flicken. Nanopartikel könnten dann die Hauptsünder in
Sachen Ozonloch einfach absaugen.






























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last modified: 12.02.2003
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