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Sandra schrieb am 30.9. 2011 um 10:00:09 Uhr über

Gold

Das Wort 'Gold' hat mcih daran erinnert, dass ich schon lange 'Der goldene Berg' lesen wollte. Dieser Auszug hat mich in grosse Spannung versetzt. Lohnt es sich das zu lesen?

Die Korsaren der Barbarenküste waren der Schrecken der Meere, insbesondere ihres eigenen, des Mittelmeers, das sich von den Säulen des Herakles bis zum Heiligen Land erstreckt. Sie machten Jagd auf die Schiffe aus christlichen Ländern und wagten sich inzwischen sogar bis nach England und noch weiter vor, um ihnen aufzulauern. Tausende armer Unschuldiger wurden in ihren entsetzlichen Städten als Sklaven gehalten, vor allem in Algier, einem üblen Piratennest, mit dem sich mein König Charles offiziell im Krieg befand. Dies war schließlich auch der Grund, weshalb wir hier waren: Die Wessex gab sechs Frachtschiffen Geleit, die von Smyrna in der Levante nach London zurückkehrten – denn die Kaufleute verlangten zu Recht Schutz vor den überall lauernden Korsaren und bekamen ihn auch. Wir fuhren augenblicklich nur deshalb unabhängig übers Meer, weil Sir John Lawson, der Oberbefehlshaber unserer Flotte in diesen Gewässern, der schwerfälligen Paragon unsere Aufgabe übertragen hatte, damit meine Wessex – ein besseres Segelschiff, rasch und wendigdie Auslöschung der Barbaren vorantreiben konnte.

Nur wenige Tage zuvor hatten wir ein Korsarenschiff vor der Küste Menorcas verfolgt und es beschossen, als der Wind sich legte und es seine Ruder ausfuhr. Der Kapitän lachte aus vollem Hals, während sein Gefährt sich mit jedem Ruderschlag weiter entfernte, um andere ahnungslose Seeleute zu überfallen. Doch selbst ein Korsar muss zuweilen erfahren, dass Pragmatismus in einer ausweglosen Situation angebracht war, vor allem, wenn seine halbe Mannschaft tot ist und sein Schiff im Sinken begriffen, und ganz besonders dann, wenn eine Breitseite von über zwanzig Kanonen auf jeder Seite ihn innerhalb von Minuten in Allahs Reich befördern konnte. Der Kapitän der in Not geratenen Galeere, ein braungebrannter, schätzungsweise vierzig- bis fünfzigjähriger Mann mit Turbanglattrasiert, was unter seinen Landsleuten ungewöhnlich war –, hob sogar den Säbel und salutierte zu mir herüber, während seine Männer die schwarze Flagge einholten.

Lieutenant Castle stellte eine Mannschaft zusammen, die das Schiff entern und hauptsächlich die armen Seelen befreien sollte, die viele Jahre lang von ihren heidnischen Herren an die Ruder gekettet worden waren. Ich sah und hörte sie, als sie an Deck kamen, bleiche Wesen, einige splitternackt, andere nur mit einem Lumpen um die Lenden; alle hatten von den eisernen Fesseln blutige Hand- und Fußgelenke. Einige blickten sich verständnislos um, andere aber stießen Freudenschreie aus, etliche brachen in Tränen aus, und wieder andere deuteten auf die Wessex und ihren Kapitän und verbeugten sich erleichtert und zutiefst dankbarSelbst heute noch nach all den Jahren, da ich älter bin als irgendjemand, den ich kenne, sehe ich diesen Anblick vor mir, höre die Rufe und rieche den beißenden Gestank, als wäre es erst gestern gewesen. In meinem langen Leben habe ich vieles gesehen, was einem den Magen umdreht oder das Herz erfreut, aber nur ein einziges Mal habe ich einer derartigen Szene beigewohnt, die beide Empfindungen vereint hätte. So viele Jahre spätermehr als sechzig – sehe ich noch immer die Tränen jenes hageren graubärtigen Mannes vor mir, der die gefalteten Hände zum Gebet erhoben hatte, um für seine Rettung zu danken. Im nächsten Augenblick sackte er zusammen. Obwohl ich etliche Meter entfernt an Deck eines anderen Schiffes stand, wäre ich auch ohne das Kopfschütteln meines Besatzungsmitglieds neben ihm gewahr geworden, dass der Mann tot war. Zwar war er als freier Mann gestorben, doch seit jenem Tag hat mich der Gedanke nicht mehr losgelassen, dass es genau diese Erkenntnis, nun frei zu sein, gewesen ist, die ihn umgebracht hat.

Nun wurden der Kapitän der Galeere und seine überlebenden Offiziere zur Befragung herübergeschafft. Ich sah zu, wie sie an Bord gebracht wurden, drei dunkelhäutige Männer in langen weißen Gewändern. Verächtlich blickten sie sich an Deck um, als hätte nur eine List des allerungnädigsten Schicksals sie ihrer Macht beraubt – was ja auch zutraf. Bootsführer Lanherne führte den Kapitän in meine Kajüte hinab. Er war hochgewachsen und stolz, dieser Berber, sein Betragen war das eines Edelmanns. Er grüßte mich mit einer eleganten Arabeske seiner Hand, so, wie es bei ihm Brauch war, und murmelte etwas, das vielleicht eine Beschwörung von Allahs Wohlwollen mir gegenüber war, vielleicht aber auch nicht. Ich fragte ihn nach dem Namen seines Heimathafens, denn ich nahm an, dass er wie so viele Männer an der afrikanischen Küste zumindest Bruchstücke der Sprachen beherrschte, die auf den von ihm unablässig überfallenen Schiffen gesprochen wurden.

Er blickte mich verständnislos an.

Ich versuchte es auf Französisch, was ich fließend beherrschte, und Holländisch, was ich ziemlich gut sprach, schließlich hatte ich ja in dem Land vor der glücklichen Wiedereinsetzung Charles II. eine ganze Weile gelebt und im Zuge dessen eine lebhafte holländische Gattin und einen schrecklich langweiligen Schwager hinzugewonnen.

Das bräunliche Gesicht verzog keine Miene, auch nicht, als Lieutenant Castle es auf Spanisch versuchte und Phineas Musk seine paar Brocken Griechisch ausprobierte, die er vor einigen Wochen von einer bemerkenswert lotterhaften Nonne auf Rhodos gelernt hatte.



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