Peter Rühmkorf
Mailied für eine junge Genossin
Angesengt vom Sommer, abgetakelt vom
Fahnenschwingen und Bewußtseinzeigen;
wenn jetzt eine Junge käme, sagte komm,
ließ ich mich sofort vergeigen –
meine allersäuischste Verehrung!
Ich verwüste mich _speziell_ für _Sie_ . . .
_Kommen Sie und sehn_
die Bescherung:
meine wildbewegte Deponie.
'zähl mir nichts von Kriem– und andern –Hilden;
lerne: davon läßt sich gar nichts lernen.
Steh nicht rum als wolltst du Salze bilden,
eine Druse, innerlich, aus Sowjetsternen.
Nein, ich rede keinen blöden Mist
und bin weder so– noch sorum abzutrichtern:
Gestern Kommunist – morgen Kommunist
_aber doch nicht jetzt_,
_beim Dichten?!_
Kunst als Waffe? Da sei Majakowskij vor!!
Deibel, diese blutige Krawatte,
Dicker Danton, der den Kopf verlor,
als er seine Zähne noch beisammenhatte.
Daß der schöne Zweck die Leiden adelt?
_Hepp! Applaus!_
Unter uns: _der_ Tannenbaum ist abgenadelt
und dein Über-Ich ein Kartenhaus.
Wo ich dich in deinen Lastern so bestärk,
brauchst du nicht mehr gegen dich zu wüten.
Steig zu mir ins Hemd, mein Alterswerk;
_auch für Mischgeburten_
gibt es Lebensmythen.
Warum sich die Birne auseinandergrübeln,
eh der Himmel uns vertut, zerstreut . . .
Angesichts von Myriaden Übeln sind wir nur zuzweit.
Reine Wahrheit, ewig und unsäglich,
irrt im Kreise, weil sie nie bewirkt.
Komm! so links wie nötig und so hoch wie möglich,
_Harmonie ist Kunst_
und _die_ schon halb getürkt.
Warum – wir uns – nicht noch einmal –
_hochgepafft?!_
Spann die Lungen sachte vor die Wasserpfeife;
daß dein Odem mich vermummt begreife:
Harun – pst! – al Raschidhaft . . . . . . . . . . . . . . . . .
[1975]
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