Es liegt ja schon verdächtig nah am romantisierenden Ethnokitsch, aber ich würde mich als einen Gefühlstürken bezeichnen. Klar geworden ist mir das, als ich, zum ersten Mal im Istanbuler Viertel Sultanahmed flanierend, nicht jenes Gefühl der Fremde hatte, das mir sonst in jeder Stadt, selbst meinem Wohnort, kaltatmig entgegenweht. Ich sog jeden Duft der Basare auf, grüßte, zumindest in Gedanken, erführchtig jeden gebetskettchenschwingenden Greis, bewunderte distanziert schönhaarige Studentinnen am Hippodrom und entspannte allabendlich meine wechselgebadeten Emotionen in den Badehäusern, so sauber war ich, glaube ich, nie zuvor, man hätte von mir essen können. In einer halben Stunde durchwanderte ich Jahrhunderte, knabberte gegrillte Maiskolben und parlierte mit ziegenbärtigen Technoverkäufern; ich war, zum ersten Mal in einem Urlaub, wirklich angekommen. Was davon neben dem Wunsch bald wieder nach Istanbul zu fahren geblieben ist, ist das Empfinden, das mich manchmal in unserem mit entleerten Konventionen durchsetzten Alltag einholt, ein gestrandeter Sarazene zu sein, eine undefinierbare Durchmischung von Gefühlen der Entfremdung in einer barbarischen Welt, die nach Krummschwert und Rosenöl riechen.
|