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mcnep schrieb am 28.3. 2008 um 14:34:05 Uhr über

Fortpflanzungsstrategie

Im Grunde hatte Ralf die Hoffnung auf ein genetisches Weiterleben längst aufgegeben, sie war gewissermaßen der auf Ruhm und Wohlstand hinterhergestorben; nur von Zeit zu Zeit masturbierte er noch des Sommers frühmorgens auf den Treppenabsatz vor seiner Wohnungstür, in der irrwitzigen Hoffnung, die rothaarige Nachbarin aus der über ihm liegenden Wohnung könne, wie sie es in diesen warmen Tagen oft zu tun pflegte, mit nichts als einem Morgenmantel begleitet und ihren Dackel (den sie allen Vorgaben der Eigentümergemeinschaft zum Trotz mit steter Regelmäßigkeit durch die Kellertür in den Hausgarten entleerte) auf dem Arm tragend auf seiner Hinterlassenschaft ausrutschen und so ihrer zur Schau gestellten Männerfeindschaft zum Trotz ein Kind empfangen, welches er der Ahnungslosen über die Jahre immer häufiger in nachbarschaftlicher Hilfe hüten und nach und nach an das Geheimnis seiner Herkunft heranführen würde. Er hatte über die Jahre ein festes Schema der Treppenbesudelung entwickelt, das nach den von ihm peinlich genau durchexerzierten Berechnungen und Simulationen eine optimale Empfängniswahrscheinlichkeit versprach: Ein Initialklecks auf der fünftletzten Stufe sollte für ein Ausgleiten sorgen, dass sich in einem Spagat auf der letzten vollendete, eben die Stelle, die er Woche für Woche unter Seufzen zu markieren pflegte. Doch nicht wandelte sich das morgendliche Klappern ihrer Flip-Flops in die ersehnte Polterkaskade, irgendwann klappte die armierte Gartentür, bei geöffnetem Fenster hörte er sogar das Ratschen ihres Feuerzeugs, wenn sie sich über dem Pullern ihrer Bettwurst die Morgenzigarette anzündete: Das war dann der Moment, wo er mit dem Lappen aus der Wohnungstür hastete, eilig die Reste seiner Empfängnisfalle fortwischend, denn nicht nur war beim Aufstieg der Rothaarigen an einen erfolgreichen Sturzversuch nicht zu denken, er hatte selbst die yogischsten Verrenkungen erwogen, der kostbare Moment war auch verronnen, geronnen besser gesagt, hatte seine Fünfminutenchance gehabt, zu groß zudem die Gefahr, der günstigere Lichteinfallswinkel hätte der aufsteigenden Roten die Augen öffnen können... Jahre ging das so, ihr Kontakt innerhalb der Hausgemeinschaft beschränkte sich auf Unverbindlichkeiten, während er sommers zweimal die Woche seine Stufen imprägnierte - er war von einer optimalen Spermaqualität nach diesem Zeitraum geradezu abergläubisch besessen, 'schüttete es weg', wie er es nannte, wenn es den vierten Tag erreichte (was in all den Jahren nur sechs Mal geschehen war, wie er stolz in seinem 'Treppenbuch' vermerkt hielt). Zu ihrem fünfzigsten Geburtstag lud sie ihn wie alle Mieter auf ein Glas nicht sehr kalten Proseccos, er schenkte Unverbindliches, doch von dem Tag an begann er das Gewicht der Monate stärker zu empfinden, Ralf zählte nicht wirklich, aber eine fast haushälterische Unruhe begann sich in sein Ritual zu schleichen. Einige Jahre später, als jene doppelt verschlossenen Beutel ihres Hausmülls, den er gewohnheitsmäßig einmal in der Woche zu kontrollieren pflegte, was sie ihm durch die stete Verwendung derselben Sammeltonne geradezu aufgedrängt hatte, wie er sich selbst gegenüber manchmal entschuldigend betonte, als der Inhalt jener Beutel nun nicht mehr einmal im Monat jenes Zeichen trug, das er zuvor stets als geronnenes Indiz des erneuten Scheiterns seiner Fortpflanzungsstrategie angesehen hatte, begann Ralf das Interesse an seiner ausgeklügelten Choreographie einer Schwängerung des Unmöglichen zu verlieren. Man entdeckte einen Krebs in ihm, wobei Ralf die Formulierung bevorzugte, der Krebs habe ihn entdeckt und er starb zwei Jahre später in einem ausgezeichneten Krankenhaus, sonderbarerweise am gleichen Tag wie der Hund seiner Nachbarin, was jedoch keiner der drei Beteiligten jemals erfahren hat.


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