Das frühe Aufstehen bleibt die vornehmste Tugend jedes Menschen mit freier Tagesplanung. Ein frischer, knackig betauter Tag liegt vor dir, kein Vergleich zum Privileg des nächtlichen Durchfeierns, wenn die Stunden schon bieratmig und nikotingelb geworden sind. 'Bevor ihn Post und Telefone trafen' sind auch einem Melancholiker Stunden des Fluges gegönnt. Der Kaffee schmeckt arabischer, die Zahnpasta frischer, sogar die Gesichtsreste im Spiegel sehen aus, als ließe sich das Puzzle im Lauf des Tages noch zusammenfügen. Ich weiß, es kommt mehr darauf an, wie gut, als wann man schläft. Trotzdem bilde ich mir gerne ein, daß es einen besonderen Himmelskreis für Frühaufsteher gibt, in dem die Engel nur wenige Stunden des ewigen Tages auf besonders kleinen und leisen Harfen spielen und die Rauschebärte der Schließer noch nicht nach Weihrauch müffeln. Überhaupt stelle ich mir die göttlichen Sphären so geschichtet vor, daß die Erdähnlichkeit mit aufsteigender Gottesnähe zu– und nicht abnimmt, oben bei den Cherubim und Seraphim darf man dann sogar wieder aufs Klo. Es riecht dort halt nur besser.
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