Kim will kiffen ...
... und klagt mit Rechtsanwalt Matthias Schillo um ihr Recht auf Rausch
Volker Wartmann über einen Rechtsstreit, der nicht nur in Berlin Geschichte machen wird
Mun-ju Kim will notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, um Cannabis für den Eigenbedarf legal erwerben, besitzen und genießen zu dürfen.
Mun-ju Kim macht, was Millionen andere Menschen in Deutschland auch mehr oder weniger regelmäßig machen: Sie kifft gerne. Um dies künftig endlich legal tun zu können, hat die 32-jährige, in Berlin lebende Koreanerin jetzt einen ebenso ungewöhnlichen wie logisch erscheinenden Weg eingeschlagen: Sie hat bei der Bundesopiumstelle in Bonn die Erlaubnis beantragt, »THC-haltiges Harz und THC-haltige Blütenstände der Pflanze Hanf in kleinen, zum Eigenbedarf ausreichenden Mengen zu erwerben, zu besitzen und zu genießen«. Juristische Unterstützung erhält sie dabei von Rechtsanwalt Matthias Schillo, der Mitte der neunziger Jahre bereits die Aufhebung des Anbauverbotes für Faserhanf in Deutschland gerichtlich durchsetzen konnte.
»Wenn es sein muss, gehen wir durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht«, kündigt Kim an. Ihren ersten Antrag vom Oktober 2000 hat die Bundesopiumstelle - erwartungsgemäß - mit einer behördlich-formalistischen, inhaltsleeren Begründung zurückgewiesen. »Die Bundesopiumstelle ging in ihrem Bescheid nicht auf die tragenden Gründe von Kims Antrag ein«, erläutert Kims Anwalt Schillo. »Vielmehr begründete sie die Zurückweisung des Antrages lediglich mittels einer lehrbuchmäßigen Darstellung der Struktur und der Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes.« Dass das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) diese Regelungen enthalte, sei unstrittig, so Schillo. »Jedoch sind diese Regelungen nach unserer Auffassung rechtswidrig - soweit sie die mild psychotropen und ungefährlichen Wirkstoffe des Hanfs betreffen.« Aus diesem Grund hat Schillo gegen den Bescheid der Bundesopiumstelle im Februar Widerspruch eingelegt. Eine Antwort der Bundesbehörde darauf steht zur Zeit noch aus. Offensichtlich fällt ihr eine inhaltlich plausible Begründung für ihr eigenes Handeln schwer. Jedoch ist zu erwarten, dass auch dieser Bescheid negativ ausfallen wird. »Den Schritt vor das Verwaltungsgericht haben wir schon vorbereitet«, erläutert Kim.
Die in Stuttgart geborene Kim lebt seit etwa zehn Jahren in Berlin und ist beruflich im »kreativen Bereich« tätig. Sie war bis vor kurzem Mitinhaberin der Szene- Zeitschrift EIN000 (sprich eintausend) und arbeitet zurzeit als DJ-Bookerin für eine Musikagentur. Sie konsumiert - sofern es ihre hohe Arbeitsbelastung zulässt - zur Entspannung Haschisch und Marihuana. Wie bei Menschen asiatischen Typs sehr häufig, verträgt Kim aufgrund entsprechender genetischer Disposition keinerlei Alkohol. Genau genommen fehlt ihr ein zum Abbau von Alkohol notwendiges Enzym. Demzufolge führt bei ihr schon ein einziges Glas Wein oder Sekt zu einer viele Stunden andauernden Übelkeit und Schlaflosigkeit. Aus diesem Grund hat sie nach entsprechenden Erfahrungen als Heranwachsende keinen Alkohol mehr angerührt. »Nach einem Glas Sekt bekam ich gleich Hautausschlag. Ich sah aus, als hätte ich die Beulenpest«, erzählt Kim. Mit Hanfprodukten hingegen erreicht sie seit vielen Jahren den Zustand gepflegter Entspannung - wie er von großen Teilen der Gesellschaft mit dem kontrollierten Genuss von Alkohol angestrebt wird.
Seiner Mandantin den Erwerb, Besitz und Genuss von Cannabis zu verbieten, verstößt nach Ansicht von Rechtsanwalt Schillo gegen übergeordnetes Recht und verletzt insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Artikel 2 des Grundgesetzes) und den durch dieses Grundrecht geschützten Kernbereich der privaten Lebensgestaltung:
"Das strafbewehrte Verbot des Hanfgenusses beschränkt in sehr hohem Maß die Freiheit der Person, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht als ‚unverletzlich' bezeichnet. Diese Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, dass in sie nur aus besonders wichtigen Gründen eingegriffen werden darf. Dies ist nur dann zulässig, wenn der Schutz anderer oder der Allgemeinheit dies unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordert. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr existieren die Gefahren, vor denen der Nutzer oder die Allgemeinheit geschützt werden sollen, nicht!
Die Begründung der Eingriffsregelung beruht auf Annahmen, die heute wissenschaftlich widerlegt sind. Ein Gesetz, das vor nicht existenten Gefahren schützen soll, ist zur Zweckerreichung ungeeignet und kann deswegen keinen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht rechtfertigen. Außerdem ist auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, wenn der Eingriff auf einer unzutreffenden Kenntnis von dem zu regelnden Sachverhalt beruht. Beides ist hier der Fall, weil das BtMG, soweit Hanfprodukte einbezogen wurden, davon ausging, dass diese physisch und psychisch süchtig machen, körperliche Schäden verursachen, als sogenannte Einstiegsdroge wirken und durch das sogenannte Flashback- Phänomen zum Beispiel im Straßenverkehr andere gefährden könnten. Alle diese Annahmen sind heute wissenschaftlich widerlegt.
Zusammenfassend steht heute fest: Etwa 15 Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik haben mit Cannabis Erfahrung. Mäßiger Konsum ist nicht als Missbrauch anzusehen, denn er hat keine nachteiligen Folgen für den Konsumenten, seine Umgebung oder seine sozialen Beziehungen. Alle diese Umstände sind heute nicht mehr ernstlich zweifelhaft."
Zudem habe das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber 1994 vorgegeben, innerhalb der kommenden fünf Jahre zu überprüfen, ob die Einordnung von Hanf unter das BtMG rechtmäßig sei, weil es selbst daran erhebliche Zweifel hege, so Schillo. »Diese Überprüfung ist seitens der Legislative bisher pflichtwidrig unterblieben«, sagt der Rechtsanwalt. »Dieser Umstand entbindet die Exekutive jedoch nicht, bei Ermessensentscheidungen den aktuellen Stand des Wissens statt eindeutig widerlegter Annahmen zum Gefährdungspotenzial zugrunde zu legen.«
Durch ihren Schritt in die Medienöffentlichkeit will Kim erreichen, dass künftig alle Menschen die Chance haben, »verantwortungsbewusst mit Cannabis umzugehen«. »Ich will, dass Kiffen als ganz normaler Genussmittelkonsum von der Gesellschaft akzeptiert wird«, sagt Kim. »Das Bild, das derzeit von Kiffern und Kiffen in großen Teilen der Bevölkerung vorherrscht, basiert auf antiquierten medizinischen Annahmen, auf altmodischen Vorstellungen über alternative Lebensformen und ist ziemlich überholt. Menschen, die Cannabis rauchen, sind in der Regel keine Hänger, die abgeranzte Wollpullis tragen und zu jeder Jahreszeit mit Sandalen rumlaufen«, sagt Kim. »Überwiegend wird Marihuana oder Haschisch von ganz normalen Leuten konsumiert, beispielsweise in der Medien- und Künstlerbranche, aber auch von vielen anderen gesellschaftlichen Gruppen.« Mit harten Drogen hat Kim übrigens nichts am Hut: »Die sollen ruhig verboten bleiben.«
Seit sie mit ihrem Anliegen offensiv an die Öffentlichkeit getreten ist, erfährt Kim Unterstützung und Solidarität auf breiter Front. Unter dem Motto »Erst die Steuerreform, dann die Rentenreform ... höchste Zeit für die Kiffenreform!« haben Sympathisanten der 32-Jährigen eine »Kimwillkiffen-Kampagne« ins Leben gerufen. Die Modedesignerin Betty Bund wird in Kürze eine Kimwillkiffen-Kleiderkollektion vorstellen und im Internet wird Kims Engagement unter www.kimwillkiffen.de von ihren Unterstützern dokumentiert und verbreitet. »Ich erfahre Zuspruch auf allen Ebenen«, sagt Kim begeistert. »Manchmal stecken mir wildfremde Menschen ein Piece oder ein bisschen Grass zu, weil sie mein Engagement gut finden.« Im Gästebuch auf ihrer Homepage habe sich erst ein einziger Mensch negativ gegenüber ihrer Initiative geäußert, so Kim. »Alle anderen bekunden Sympathie für meine Aktion.«
Angst, dass aufgrund ihres offensiven Auftretens einmal die Polizei vor ihrer Tür stehen könnte, hat sie nicht. »Ich habe nie mehr als vier Gramm Marihuana im Haus«, sagt Kim. »Durch eine Hausdurchsuchung würde ich mit meinem Anliegen noch viel mehr Medienresonanz als bisher erfahren. Das dürfte nicht im Interesse der Staatsmacht liegen.«
Das erste Mal gekifft hat Kim im Alter von 15 Jahren. »Bei mir schlug im Gegensatz zu vielen anderen gleich der erste Joint an«, erinnert sich Kim. »Ich lag lachend auf dem Sofa und hatte riesigen Spaß dabei, am Lichtschalter herumzuspielen und ständig das Licht an und aus zu machen.« Nach diesem Erlebnis war jedoch erst mal ein paar Jahre Pause mit der Raucherei. »Mit 17, 18 habe ich gelegentlich gemeinsam mit Freunden in dunklen Ecken auf Partys in Stuttgart Cannabis geraucht«, sagt Kim. Zur »Normalität« wurde das Rauchen für sie erst in Berlin, wohin sie kurz nach dem Mauerfall zog. »Hier in der Stadt ist es zum Glück in vielen Clubs und Kneipen unproblematisch, öffentlich einen Joint zu rauchen«, sagt Kim. Aber in vielen anderen Städten in Deutschland werde es bis heute nicht toleriert, in der Öffentlichkeit zu kiffen. »Aber in ein paar Jahren wird es Normalität sein - spätestens wenn ich meinen Prozess vor dem Bundesverfassungsgericht gewonnen habe.«
Volker Wartmann
Stichworte: Schillo, Berlin, Koreanerin, Eigenbedarf, Rausch
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