Der Ostmensch hat keinen Sinn für das »Beweisen.« Er erlebt schauend den Inhalt seiner Wahrheiten und weiß sie dadurch. Und was man weiß, das »beweist« man nicht. - Der Westmensch fordert überall »Beweise.« Er ringt sich zu dem Inhalt seiner Wahrheiten aus dem äußeren Abglanz denkend hin und deutet sie dadurch. Was man aber deutet, das muß man »beweisen.« - Erlöst der Westmensch aus seinen Beweisen das Leben der Wahrheit, dann wird der Ostmensch ihn verstehen. Findet der Ostmensch am Ende der Beweissorge des Westmenschen seine unbewiesenen Wahrheitsträume in einem wahren Erwachen, dann wird der Westmensch ihn in der Arbeit für den Menschenfortschritt als einen Mitarbeiter begrüßen müssen, der leisten kann, was er selbst nicht vermag.
Rudolf Steiner, West-Ost-Aphorismen, Psychologische Aphorismen. Dornach - Steiner Nachlassverwaltung, 1971. 22 S.
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