Es bereitet sich hier eine Menge praktischer Anwendungen des mildtätigen Christentums vor. Die meisten davon stehen noch auf dem Papiere, einige sind schon ins Leben getreten, z.B. ein Magdalenenstift zur Rettung gefallener Mädchen. Was man von letzterem hört, läßt auf eine gesunde und tatkräftige Ausführung dieser an sich löblichen Absicht nicht schließen. Schon daß diese unglücklichen Personen durch eine eigene Tracht kenntlich gemacht werden, ist einer jener finstern Nebengedanken, die wir strafende Armenpflege nannten. Wenn es einen Weg geben kann, um solche Personen einer sichern Besserung entgegen zu führen, so kann es nur der sein, sie auf eine möglichst geräuschlose, stillschweigend liebevolle Weise der Gesellschaft wiederzugeben. Eine schwarze Tracht mag allerdings bewirken, daß der, der sich dem Magdalenenstift in die Arme wirft, gleichsam die Tür hinter sich auf immer zuwirft und eine fast kartäuserartige Resignation zeigen muß, aber wie wenig Gemüter werden einer solchen Abtötung des letzten Restes von Stolz fähig sein! Gerade das, was Ihr zuerst brechen wollt, diesen letzten Rest von Stolz, gerade das ist nur das Samenkorn, aus dem sich eine neue Blüte des sittlichen Menschen erheben kann. Was wird das Ende dieses Beginnens sein? Daß eine solche Anstalt hinter ihrer guten Absicht zurückbleibt und, statt gebesserter, dem Leben wieder gewonnener Verirrten, Heuchlerinnen erzeugt, die, wie es der Fall ist, beim geringsten verführenden Anlaß wieder in ihre alten Lasterwege zurückfallen.
(Berlin - Panorama einer Weltstadt, Karl Gutzkow)
|