Überwachung ist die zielgerichtete Beobachtung und Informationserhebung von Objekten, Personen oder Gegenständen. Auf die Überwachung von Personen gerichtet, spricht man auch von Observierung oder Observation, bei Naturphänomenen von Monitoring.
Der Begriff Überwachung ist an sich neutral und betrifft viele unterschiedliche Anwendungsbereiche, z.B. Sicherung von Objekten, Videokameras im Verkehr, Prävention von Gewalttaten oder Schutz vor Naturkatastrophen. Doch hat das Wort im Deutschen durch die zunehmende öffentliche Thematisierung der möglichen Überwachung von Bürgern durch Staat oder Gemeinde eine negative Besetzung erhalten – siehe auch: Überwachungsstaat.
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
2 Überwachung von Objekten und Naturgefahren
2.1 Monitoring von Naturgefahren
2.2 Überwachung von Naturerscheinungen
2.3 Überwachungsaufgaben in der Technik
3 Überwachung von Personen und Gruppen, Observation
3.1 Überwachung mit Videokameras
3.2 Überwachung des Flugverkehrs
3.3 Überwachung des Briefverkehrs
3.4 Audio-Überwachung
3.5 Überwachung von Mitarbeitern
3.6 Überwachung von Personen
3.6.1 Telefonüberwachung
3.7 Total Information Awareness
3.8 Das EU-Projekt INDECT
3.9 PC-Überwachungsprogramme
3.10 Kontaktloser RFID-Chip
3.11 Überwachungsarten und ihre Umsetzung
4 Risiken der Personenüberwachung
4.1 Die Risiken im Einzelnen
4.2 Sensibilität in Deutschland
4.3 Folgen
5 Siehe auch
6 Literatur
7 Medien
8 Weblinks
9 Einzelnachweise
Einführung
Maßnahmen der Überwachung können der Erhöhung der Sicherheit des menschlichen Lebens dienen, der Beobachtung von Naturerscheinungen, militärisch-nachrichtendienstlichen Zwecken, oder dem Werterhalt von Bauwerken und Investitionen.
Demgemäß unterscheidet man unter anderem:
Bewachung von Objekten, Territorien oder Personen
Verkehrsüberwachung
Technische Überwachung von Anlagen (Industrie, Kraftwerke) oder der Umwelt (Boden, Wasser, Luft, Ozon). Erstere dient vor allem der Vermeidung von Störfällen, letztere von Umweltschäden.
Monitoring in Technik und Naturwissenschaft, etwa von großen Bauwerken, Staumauern, Kraftwerken oder Rutschhängen. Solche Überwachungsaufgaben erfolgen zunehmend automationsgestützt, u. a. durch Methoden der Geotechnik und der Ingenieurvermessung
Überwachung von Naturerscheinungen – beispielsweise in der Hydro- und Meteorologie (Wasserstände, Niederschläge, Klima), in der Biologie (Artenschutz, Migration usw.) oder in der Astronomie (Novae, Veränderliche Sterne, Kometen und Asteroiden)
Medizinische Überwachung, z.B. von Kranken in der Intensivstation. Hier werden ständig lebenswichtige Daten wie Herzschlag, Blutdruck und Atmung kontrolliert, um im Notfall schnell eingreifen zu können. Eine besondere Art der medizinischen Überwachung ist die Surveillance.
Supervision als psychologische Maßnahme gegen Burnout und abdere Überlastungen
Observieren (lat. „beobachten“) als unauffälliges, systematisches Beobachten einer Person. Aber auch von Sachen und Objekten (Ermittlungshinweise, Beweismittel, Erkenntnissen für weitere Maßnahmen).
Eingangs- und Sicherheitskontrollen an/für Gebäude, Nachtdienste etc.
Elektronische Überwachung: unauffällige oder aus größerer Distanz mögliche Beobachtung mit elektrooptischen Geräten, Videokameras oder anderen technischen Mitteln.
Beschattung verdächtiger Personen als herkömmliche (low-tech)-Überwachung oder mit Zeugenbefragungen
Militärische Überwachung von Räumen bzw. Gelände, z.B. für spezielle Einsätze oder Gefechtsarten.
Überwachung von Objekten und Naturgefahren
Seit das Thema »Überwachung« in der Gesellschaft so stark diskutiert wird, ist der Begriff ins Negaive abgerutscht. Es gibt jedoch zahlreiche Überwachungsbereiche, die allgemein gewünscht werden oder gegen die es kaum Kritik gibt. Dazu gehören unter anderem:
Monitoring von Naturgefahren
Seismologie und (versuchte) Erdbeben-Prognose, Überwachung potentieller Rutschhänge, Fels- oder Bergsturz-Gebiete, Bodenkriechen, Monitoring von Hängegletschern usw.
hydrografische Beobachtungsstellen (Wasserstand von Flüssen und Binnenseen, Prognose von Starkregen und Hochwässern, Biowetter, Sturmwarnung)
Überwachung von Naturerscheinungen
in der Meteorologie, Klimatologie und Hydrologie: Wetterbeobachtung am Boden und von Satelliten, Niederschlag, Abfluss/ Verdunstung und Wasserstände, Wind und Wolkenbildung, Wirbelstürme, Ernteprognosen usw.
in der Astronomie: Novae, ungewöhnliche oder Veränderliche Sterne, Entdeckung und Bahnbestimmung von Kometen und Asteroiden, Änderungen der Radio-, Röntgen- und Gammastrahlung ferner Himmelskörper, Bildung neuer Sterne ...
in der Biologie: Änderungen in der Vegetation, im hochalpinen Bewuchs, in den Blühzeiten (Mittfrühling etc.); gefährdete Arten durch Mensch und Klimawandel, Fruchtbarkeit und Wanderbewegungen beim Wild, Anpassung der Bodenlebewesen und vieles mehr
Überwachungsaufgaben in der Technik
Laufende Kontrolle großer Gebäude und ihrer allfälligen Setzung, thermisches Verhalten und Schwingungen von Brücken, Kontrolle von Staumauern, Kraftwerken, Fernmeldetürmen und anderer potentiell gefährdeter Bauwerke. Solche Überwachungsaufgaben erfolgen zunehmend automationsgestützt, u. a. durch Methoden der Geotechnik und der Ingenieurvermessung
Technische Überwachung von Anlagen (Industrie, Machinen, Kraftwerke), von Heizkesseln, Abgas- und Rauchfang, allgemeinde Sicherheits-Checks
Solche Monitorings sollen einerseits Störfälle vermeiden und rechtzeitige Maßnahmen oder Reparaturen ermöglichen (siehe auch TÜV). Andrerseits sind sie eine effektive Möglichkeit zur technischen Weiterentwicklungen aller Art und zur Vorbeugung von Umweltschäden.
Regelmäßige Prüfung von Kraftfahrzeugen wie Service und »Pickerl«
Militärische Sicherungsaufgaben in Krisengebieten und -Zeiten
Monitoring der Umwelt: Luftqualität, Feinstaub etc., Wassergüte, Boden- und Luftverschmutzung, Zustand des Waldes, Beobachtung der Ozonloch usw.
Die gewonnen Daten sind einerseits für die Wissenschafter von Bedeutung, andererseits dienen sie der Gesundheit und der Prophylaxe von Umweltgefahren
Überwachung von Personen und Gruppen, Observation
Personenbezogene Überwachungsmaßnahmen werden üblicherweise von staatlichen Diensten (Polizei, Staatspolizei, Geheimdienste) eingesetzt, können aber auch der Kontrolle von Arbeitnehmern in Unternehmen dienen. Der Austausch der von staatlichen Diensten ermittelten Daten mit denen von Unternehmen wird als zunehmend problematisch erachtet.[1]
Arbeitnehmerüberwachung ist in Deutschland illegal, während beispielsweise in den USA oder in Großbritannien den Arbeitgebern zugestanden wird, ihre Angestellten legal mittels am Arbeitsplatz installierten Kameras zu überwachen. Auch das Mitlesen des E-Mail-Verkehrs ihrer Angestellten ist US-Firmen im Gegensatz etwa zu deutschen Firmen erlaubt.
Der Grad der Überwachung ist ein heiß umstrittenes und sehr problematisches Thema. Einerseits werden beispielsweise in den skandinavischen Ländern und in Großbritannien die neuen Formen der elektronischen Kontrolle als „Errungenschaft der Demokratie“ gepriesen. Andererseits befürchtet beispielsweise der Europäische Gerichtshof in seiner Herleitung für das Recht auf Datenschutz eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Wenn die Bürger nicht mehr wissen, wann und in welchem Maße sie beobachtet werden, werden sie sich aus Angst vor Repressionen auch vorsichtiger (im Sinne von 'angepasster') verhalten.
Siehe auch: Panoptismus
Überwachung mit Videokameras
→ Hauptartikel: Videoüberwachung
Kameraüberwachung in einer U-Bahn-Station
Eine andere Form der Überwachung, meist durch Kameras, wird an öffentlichen Plätzen, z. B. Bahnhöfen, als Sicherheitsmaßnahme eingesetzt. In Deutschland wurden diesbezüglich Modellprojekte, etwa in Regensburg durchgeführt, die auf heftigen Widerstand unter Datenschützern stießen. Mittlerweile ist die Video-Überwachung kein Modellprojekt mehr, sondern wird in vielen Städten an öffentlichen Plätzen eingesetzt. Als Begründung werden manchmal „Erfordernisse des Marketings“ genannt, wie etwa in der oberösterreichischen Stadt Wels. Auch Kaufhäuser werden in der Regel videoüberwacht, um Ladendiebstählen vorzubeugen.
Es gibt Anstrengungen, die Videoaufnahmen mittels einer Software, häufig Gesichtserkennung oder Pattern Matching genannt, automatisch auszuwerten und mit bestehenden Personenbildern zu vergleichen. Zur zweifelsfreien Erkennung genügen inzwischen schon kurze Aufnahmen von wenigen Signalen, beispielsweise der Augenpartie. Mit dem Einsatz dieser Technik wäre es nicht mehr möglich, anonym an beispielsweise politischen Demonstrationen teilzunehmen. Bürgerrechtler befürchten eine globale Demonstranten-Datenbank oder enorme Repressalien, wenn beispielsweise die Polizei Fotos von Demonstranten an die jeweiligen Arbeitgeber weitergäbe.
Überwachung des Flugverkehrs
Im Flugverkehr verlangen die USA die Weitergabe von Fluggastdaten (Passagierliste)[2]. Es wird ein System zur Früherkennung von „Terroristen“ weiterentwickelt. Man sucht nach verdächtigen Mustern, um so Terroristen zu entlarven. Der Rüstungskonzern Lockheed-Martin wurde von der US-Transportbehörde Transportation Security Administration beauftragt, das System „Computer Assisted Passenger Pre-Screening“ (CAPPS) weiter auszubauen. Dagegen formieren sich auch Widerstände[3]. Ausländer und Kriegsgegner werden besonders genau kontrolliert[4].
Überwachung des Briefverkehrs
Da heute mehr und mehr Menschen Fax und E-Mail verwenden, verringert sich die Bedeutung v. a. des internationalen Briefverkehrs. Das Abfangen von Post bleibt dennoch eine wichtige Aufgabe des Geheimdienstes.
Es gibt keinen einfachen Weg festzustellen, ob die persönliche Post gelesen wurde oder nicht. Da die Post Sortiermaschinen benutzt, die gelegentlich Briefe beschädigen, ist auch eine solche Beschädigung kein sicheres Anzeichen für eine Überwachung.
Teilweise werden große Datenmengen heute auch mit CDs auf dem Postweg verschickt. Möchte man diese Daten vor unberechtigtem Zugriff schützen, sollte man sie z. B. vor dem „Brennen“ mit einem sicheren Verschlüsselungsprogramm, etwa GPG, verschlüsseln.
Audio-Überwachung
Neben den konventionellen Methoden wie versteckten Abhörgeräten (umgangssprachlich auch »Wanzen«) gibt es noch die ausgefallenere Methode der optischen Mithöreinrichtung mittels eines Lasermikrofons.
Überwachung von Mitarbeitern
Bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen zur Überwachung der Leistungen und des Verhaltens von Mitarbeitern sind in Deutschland neben datenschutzrechtlichen Bestimmungen auch die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes zu beachten (siehe hierzu auch: Personalzeiterfassung).
Siehe auch: Torkontrolle
Überwachung von Personen
Gerade im Bereich der Geheimdienste und der Kriminalpolizei ist die gezielte Überwachung von Personen ein wichtiges Mittel, um die Aktivitäten von Verdächtigen zu registrieren, strafbare Handlungen aufzuklären oder gar zu verhindern. Dabei wird je nach Brisanz der Operation durchaus immenser Aufwand an Personal und Material betrieben. So kann eine Observation im Rauschgift-Milieu durchaus ein Dutzend Personen und mehrere Fahrzeuge binden, über Zeiträume von Tagen bis hin zu Wochen oder gar Jahren. In solch einem Fall ist es üblich, dass ein Team in der Dienststelle die Kommunikationsverbindungen des/der Verdächtigen überwacht und per Funk und/oder Telefon in Verbindung zu den Leuten vor Ort steht, um aus der Überwachung gewonnene Erkenntnisse unverzüglich auf ihre Relevanz für das Einsatzgeschehen zu bewerten und den Leuten vor Ort mitzuteilen.
Im direkten Umfeld des Aufenthaltsortes der observierten Person(en) halten sich mehrere Observationseinheiten auf, üblicherweise Einzelpersonen oder Zweier-Gruppen. Je nach den zu erwartenden Bewegungen des Verdächtigen werden passende Verkehrsmittel vorgehalten und besetzt, sowohl Zweiräder wie auch PKW. Auch ist es durchaus im Rahmen des Üblichen, dass Zimmer oder Wohnungen angemietet werden, von denen aus eine visuelle Beobachtung erfolgt, und wo zugleich die Kommunikationsverbindungen der beteiligten Kräfte zusammenlaufen. Ebenso gibt es Fälle, wo in einem unbemannten Fahrzeug Kameras verborgen sind, die z. B. den Hauseingang überwachen und die aufgenommenen Bilder per Richtfunk zu einem etwas entfernter positionierten Fahrzeug übertragen, in welchem das Observationsteam sitzt.
Die einzelnen observierenden Kräfte halten vor Ort normalerweise per Sprechfunk zueinander Kontakt. Dabei werden die Geräte meist verborgen getragen, gehört wird über drahtlose Ohrhörer, die kaum zu erkennen sind und ohnehin aussehen wie handelsübliche Hörgeräte für Hörbehinderte. Gesprochen wird meist über in der Kleidung versteckte Mikrophone, zum Beispiel am Hemdkragen oder an der Jacke befestigt. Je nach Brisanz der Observation und Art der ausführenden Dienststelle erfolgt der Funkverkehr offen und für jedermann mit einem Funkscanner abhörbar, oder auch digital verschlüsselt. Verlässt die Zielperson den Aufenthaltsort, dann wird versucht, mit zwei bis drei Teams die Person zu beschatten. Wenn im Voraus nicht bekannt ist, wie die Person sich fortbewegt, dann ist das Verlassen des Aufenthaltsortes ein kritischer Moment, bei dem die Überwacher schnell feststellen müssen, welches Verkehrsmittel genutzt wird, um möglichst verzugslos passend die Verfolgung aufzunehmen.
Unter den Observationsteams hat sich auch ein gewisser Jargon entwickelt, der je nach Region variieren mag. So werden Beobachter, die als Fußgänger unterwegs sind, gerne als Füßler bezeichnet. Die überwachte Person wird als Zielperson oder ZP bezeichnet, eventuelle Zuträger oder verdeckte Ermittler, die mit der Zielperson und den Ermittlern gleichermaßen in Kontakt stehen, werden als Vertrauensperson oder VP bezeichnet. Soll die Observation in einer Festnahme enden, dann wird diese als Zugriff bezeichnet, und das Kommando dazu ist oftmals ein zuvor abgesprochenes Kennwort, oder auch ein Signalton über Funk.
Telefonüberwachung
Das Abhören von Telefongesprächen ist in Deutschland für Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden relativ einfach möglich. Der Heise News-Ticker bezeichnet Deutschland als Weltmeister der Telefonüberwachung.[5] Im Jahr 2006 wurden von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post mehr als 40.000 Telefonüberwachungen (nicht zu Verwechseln mit Abhöraktionen) in Deutschland gezählt.[6]
Dieses gilt aber nur für die Zahl der überwachten Anschlüsse. Häufig haben die Betroffenen mehrere Anschlüsse (Bsp.: ISDN und verschiedene Pre-paid-Karten für Handy) und/oder wechseln diese auch während der laufenden Überwachung. Die hohe Zahl der überwachten Anschlüsse entsteht, da für jeden Anschluss (=Rufnummer), im Gegensatz zu anderen Ländern, ein Beschluss vorliegen muss. Bei der Zahl der überwachten Personen liegt Deutschland im unteren Mittelfeld.
Neben dem direkten Abhören von Telefongesprächen und der gezielten Überwachung von Telefonanschlüssen kommt es verstärkt dazu, ungezielt eine große Anzahl von Anschlüssen zu überwachen. Dies wird mit Gefahrenabwehr (z. B. Terrorismusbekämpfung) begründet.
Hierbei werden einerseits die Verbindungsdaten aufgelistet und die Kommunikationszusammenhänge über lange Zeiträume ausgewertet. Beispielsweise wird überprüft, wer mit wem telefoniert und in welcher Beziehung die Partner stehen. Andererseits erlauben Spracherkennungsprogramme automatisch nach Stichworten wie Bombe oder nach verdächtigen Wortkombinationen wie Palästina und Freiheit zu horchen, die Verbindungsdaten zu markieren und für eine intensive Überprüfung zu empfehlen. Alle Auslandsleitungen Deutschlands liefen lange Zeit durch den Frankfurter Standort eines weltweiten Computernetzes der National Security Agency (NSA), welches unter dem Namen Echelon bekannt wurde.
Einige Bundesländer, darunter Thüringen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, haben mittlerweile in ihren Polizeigesetzen bzw. Gefahrenabwehrgesetzen Ermächtigungsnormen eingeführt, die die Telefonüberwachung zu präventiven Zwecken ermöglichen. Der landesgesetzlichen Regelung der präventiven Telekommunikationsüberwachung sind jedoch enge Grenzen gesetzt, so hat das Bundesverfassungsgericht die fragliche Vorschrift (§ 33a NSOG) im Niedersächsischen Sicherheits- und Ordnungsgesetz für verfassungswidrig erklärt. Die sächsische Regelung wurde vom sächsischen Staatsgerichtshof als verfassungswidrig verworfen.
Total Information Awareness
Für das Information Awareness Office des Pentagon wurde seit Anfang 2002 ein umfassendes elektronisches Überwachungssystem namens Total Information Awareness (TIA) (später Terrorist Information Awareness) für Data-Mining im In- und Ausland geplant. Es sollte alle verfügbaren Informationsquellen erschließen. Die US-amerikanische Universität Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat als Gegenprojekt zu TIA das Informationsprojekt Government Information Awareness (GIA) ins Leben gerufen. Mit Hilfe dieser Plattform sollen Daten zu Personen und Institutionen von Regierungen zusammengetragen werden und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Nach der Einstellung von TIA durch den Kongress Mitte 2003 wurde das Nachfolgeprogramm ADVISE (Analysis, Dissemination, Visualization, Insight, and Semantic Enhancement) initiiert.
Das EU-Projekt INDECT
Das EU-Projekt INDECT erforscht „präventive Verbrechensbekämpfung“ auf der Basis der automatisierten Auswertung und Verknüpfung von Bildern von Überwachungskameras des öffentlichen Raums mit einer großen Zahl weiterer Datenquellen, wie etwa Daten aus Sozialen Netzwerken und der Telekommunikationsüberwachung. Dabei soll unter anderem durch Videoanalyse automatisiert „abnormales Verhalten“ von Menschen in der Öffentlichkeit erkannt werden. Kritiker sehen in dem bis 2013 laufenden EU-Forschungsprojekt Tendenzen hin zu einem Überwachungsstaat.
PC-Überwachungsprogramme
Mit bestimmten Überwachungsprogrammen können ahnungslose Computer-„Mitbenutzer“ unbemerkt ausspioniert werden. Der „Controller“ kann sämtliche Aktivitäten nachträglich observieren. Auch Passwörter (PIN, TAN) sind davor ungeschützt, bei Online-Bankgeschäften kann sich dadurch eine geänderte Haftung bei einem Schadensfall ergeben, da die Banken das Aufzeichnen der Passwörter verbieten. Die Anschaffung und Installation derartiger Programme ist legal – die Anwendung nur, wenn man seine eigenen Aktivitäten kontrolliert. Auch bei Besitzstörungen und Scheidungsverfahren ist der Einsatz illegal, er kann aber trotzdem in die freie Beweiswürdigung des Richters Eingang finden. In Österreich gibt es nur das Recht auf Unterlassung einer illegalen Überwachung. Zu PC-Überwachungsprogrammen zählen auch Bildschirmüberwachungsprogramme, die den Bildschirminhalt aufzeichnen oder übertragen.
Kontaktloser RFID-Chip
Völlig neue Möglichkeiten der Datensammlung und Überwachung bietet der Einsatz der RFID-Technologie. RFID steht für Remote Frequency Identifier bzw. Radio Frequency Identification und erlaubt das kontaktlose Lesen von Daten (einer weltweit eindeutigen ID) über Distanz, ursprünglich entwickelt, um den Strichcode z. B. auf Lebensmitteln oder anderen Objekten abzulösen. Um ein Objekt mittels RFID zu markieren, muss ein so genannter RFID-Tag angebracht werden, der teilweise nur wenige Millimeter groß sein muss, um Daten über mehrere Meter senden zu können. RFID-Tags werden stillschweigend in immer mehr Produkten des täglichen Lebens eingearbeitet, ohne die Kunden zu informieren. Da solch ein „Produkt-Kennzeichen“ theoretisch eine unbegrenzte Lebensdauer besitzt, wird der Kunde zu einem wandelnden Informationssender über die Waren bzw. Produkte, die er bei sich trägt.
Eingesetzt werden RFID unter anderem auch auf Ausweisdokumenten (Reisepass) und in Geldkarten.
Überwachungsarten und ihre Umsetzung
klassisches Abhören mit Wanzen (siehe auch: Großer Lauschangriff)
Telekommunikationsüberwachung
IMSI-Catcher (Erstellung von Bewegungsprofilen)
E-Mail-Überwachung
Videoüberwachung
Satellitenüberwachung
Stille SMS zur Ortung von Mobiltelefonen
Risiken der Personenüberwachung
Hauptrisiko der Überwachung ist, dass die bei der Überwachung anfallenden Daten zweckentfremdet oder gezielt missbraucht werden könnten. Häufiger kommen Irrtümer und Fehlentscheidungen infolge falscher oder falsch interpretierter Daten vor. Gefährlicher noch erscheint vielen der mit (angenommener oder tatsächlicher) Überwachung einhergehende Anpassungsdruck. Speziell diese Gefahr wurde 1983 in der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts zur Volkszählung hervorgehoben.
Die Risiken im Einzelnen
In Anlehnung an Roger Clarke[7] sind die folgenden Risiken einer Überwachung durch Verwendung von Daten („dataveillance“) zu nennen:
bei Überwachung einzelner Personen
Fehlidentifikation (Daten werden der falschen Person zugeordnet)
inhaltlich schlechte Qualität der verwendeten Daten
Verwendung von Daten außerhalb ihres ursprünglichen Zusammenhangs und daraus resultierende Gefahr von Fehlinterpretationen
qualitativ schlechte Entscheidungen
fehlendes Wissen des Betroffenen von der Überwachung
fehlende Zustimmung des Betroffenen
Aufnahme in schwarze Listen und Verweigerung der Löschung oder Korrektur
bei Massenüberwachung von Personengruppen oder der gesamten Bevölkerung
Risiken für die Betroffenen:
willkürliche Überwachung, weil verdachtslos und anlassunabhängig
Verknüpfung von Daten außerhalb ihrer ursprünglichen Zusammenhänge und daraus resultierende Gefahr von Fehlinterpretationen
Komplexität und Missverständlichkeit von Daten aus unterschiedlichen Quellen
Hexenjagd, indem aus bestimmten statistischen Wahrscheinlichkeiten Schlüsse abgeleitet werden, die nicht immer zutreffen
Vorab-Diskriminierung und Schuldvorhersage
Manipulation durch gezielt selektive Werbung
Umkehr der Beweislast, etwa wenn der Betroffene eine automatisierte Entscheidung erst durch nachträglichen Widerspruch individuell prüfen lassen kann und seinen Widerspruch dann begründen muss
geheime Überwachung
unbekannte Vorwürfe und Beschuldiger
Verweigerung eines rechtsstaatlichen Verfahrens
Risiken für die Gesellschaft:
Klima des Misstrauens, weil jeder verdächtig ist
Gegnerschaft zwischen Überwachern und Überwachten, weil Überwacher den automatisierten Entscheidungsfindungsprozess oft nicht verstehen, dies aber nicht eingestehen wollen, und oft eher auf Arbeitsbewältigung bedacht sind als auf die Beziehung zu den Betroffenen
Konzentration der Strafverfolgung auf leicht ermittelbare und beweisbare Straftaten anstatt auf professionelle und organisierte Kriminalität, dadurch ungleicher Gesetzesvollzug
Verlust an Achtung für das Gesetz und die Vollzugsbehörden
individuelle Handlungen verlieren an Bedeutung
Verlust an Eigenständigkeit und Selbstbestimmung
Verächtlichmachung von Individualität
Verstärkung der Tendenz, sich aus der offiziellen Gesellschaft auszuklinken
Schwächung der moralischen Verbundenheit der Gesellschaft
Destabilisierung der an sich gewollten Machtbalance
repressives Potenzial für eine totalitäre Regierung
Sensibilität in Deutschland
Die besondere Sensibilität der Deutschen gegenüber jeder Form der Überwachung im Gegensatz zu anglo-amerikanischen Ländern lässt sich unter anderem auf die im Nationalsozialismus praktizierte Überwachung der Bevölkerung zurückführen. Auch das in der DDR durch die Staatssicherheit etablierte und nach der Wende aufgedeckte Netz von Inoffiziellen Mitarbeitern, die weite Teile der Bevölkerung bespitzelten, trägt zu einer besonderen Sensibilität bei. Unter bestimmten Voraussetzungen können die Verfassungsschutzämter oder Polizeien in Deutschland eine Observation von Personen vornehmen.
Folgen
Überwachung hat unter anderem die Folge, dass die Überwachten sich konformer (zu dem, was nach den aktuellen Moral- und Wertvorstellungen jeweils vorgegeben wird) verhalten, jedenfalls dann, wenn sie sich überwacht glauben. Das heißt nicht notwendigerweise, dass dadurch der Wille der Überwachten dauerhaft gebeugt wird, doch achten sie in der Regel mehr auf ihre äußerliche Wirkung – ganz ähnlich der eines Schauspielers. Diesen „Zwang zum Schauspiel“ den Michel Foucault auch in seinem Werk Überwachen und Strafen beschrieb, erfährt der Überwachte in der Regel als Bürde, die ihn in seiner (gefühlten) Freiheit einschränkt, eine zuvor von außen an das Individuum herangetragene Disziplinierung und Sanktionierung wird in das einzelne Individuum selbst verlagert (z. B. als Schere im Kopf, vorauseilender Gehorsam, siehe auch Panoptismus). Des Weiteren besteht die Gefahr, dass die Überwachung, die nahezu jeder unbewusst wahrnimmt (z. B. an Tankstellen, Bahnhöfen, Flughäfen …) für den Menschen so alltäglich wird und er sich so an sie gewöhnt, dazu führt, dass es für diverse Organisationen ein Leichtes sein wird, ihn nach dem Prinzip des Panopticons (man muss immer damit rechnen gesehen und gehört zu werden) zu überwachen.
Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie haben ergeben, dass allein die Anwesenheit eines Gesichts in einem Raum (z. B. auf einem Foto) die Konformität des „durch das Gesicht Überwachten“ erheblich erhöht, selbst wenn dem Überwachten klar ist, dass dieses Gesicht eben nur eine Abbildung ist. Offensichtlich ist der Vorgang, bei Überwachung sein Verhalten anzupassen, sehr tief im Menschen verwurzelt.[8] In einem Experiment der Universität von Newcastle-upon-Tyne zeigte es sich, dass die bloße Anwesenheit eines Bilds von Augen aber auch egoistische Handlungsweisen verhindert und zu mehr Kooperation führt.
Siehe auch
Zollamtliche Überwachung
Polizeiliches Handeln, Gewaltprävention
geotechnisches Monitoring (Felssturz, Tsunami usw.)
Erdbeobachtungssatellit, Fernerkundung
Telemetrie, Biometrie
Überwachungsstaat, DDR-Ministerium für Staatssicherheit
Überwachungsdruck, großer Bruder, Leviathan (Thomas Hobbes), Drohung
Post- und Fernmeldegeheimnis
Telekommunikations-Überwachungsverordnung, Internetprotokoll
Sozialgeheimnis, Identität, Privatsphäre (Privacy), Stop1984
Customer-Relationship-Management (»Kundenpflege«), Datenkrake
Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung
Theorie der ethischen Gefühle
Spionage, Kriminelle Vereinigung
Literatur
zum Thema Ortungstechnologien:
Lorenz Hilty, Britta Oertel, Michaela Wölk, Kurt Pärli: Lokalisiert und identifiziert. Wie Ortungstechnologien unser Leben verändern, 1. Auflage, Zürich, vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich, 2011, ISBN 978-3-7281-3447-9
zur Personenüberwachung:
AutorInnenkollektiv (Hrsg.): Wege durch die Wüste. Ein Antirepressionshandbuch für die politische Praxis, Münster 2007. ISBN 978-3897714045
Blum, Elisabeth: Schöne neue Stadt. Wie der Sicherheitswahn die urbane Welt diszipliniert, Basel 2003. ISBN 9783764362508
Foucault, Michel: Überwachen und Strafen, Frankfurt am Main 1977. ISBN 3518387715 (fr. Original: Surveiller et punir – la naissance de la prison. Paris 1975).
Gaycken, Sandro/Kurz, Constanze: 1984.exe - Gesellschaftliche, politische und juristische Aspekte moderner Überwachungstechnologien, Bielefeld 2008. ISBN 9783899427660
Kammerer, Dietmar: Bilder der Überwachung, Frankfurt am Main 2008. ISBN 9783518125502
Schulzki-Haddouti, Christiane (Hrsg.), Vom Ende der Anonymität. Die Globalisierung der Überwachung, Hannover 2000. ISBN 9783882291926
Singelnstein, Tobias; Stolle, Peer: Die Sicherheitsgesellschaft. Soziale Kontrolle im 21. Jahrhundert. 2. Auflage, Wiesbaden 2008, ISBN 3-531-15478-8
Wehrheim, Jan: Die überwachte Stadt. Sicherheit, Segregation und Ausgrenzung. Opladen 2006 (2., überarbeitete Auflage) ISBN 9783938094471
Romane:
George Orwell: 1984 (Roman über die Zukunft des Überwachungsstaates)
Medien
Filme, die Überwachung thematisieren:
Der Dialog, Regie: Francis Ford Coppola, USA 1973, Spielfilm, Die Geschichte eines professionellen Abhörspezialisten
1984-Nineteen Eighty-Four, Regie:Michael Radford, GB 1984, Spielfilm, mit John Hurt, Richard Burton, Suzanna Hamilton und Cyril Cusack
Der Staatsfeind Nr. 1, Regie:Tony Scott, USA 1998, Spielfilm, mit Will Smith und Gene Hackman
Das Leben der Anderen, Regie:Florian Henckel von Donnersmarck, BRD 2006, Spielfilm, mit Ulrich Mühe, Sebastian Koch und Martina Gedeck
Auf Nummer sicher, BRD 2007, Dokumentations-Spielfilm
Alltag Überwachung (nicht mehr online verfügbar), Dokumentation, Deutschland 2006.
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