Nacktschnecke

meine ehemalige freundin christiane, die vor sechs jahren nach england ausgewandert ist, nannte ihren gynäkologen immer schneckendoktor. das fand ich lustig und brachte mich auf die idee, daß nacktschnecke ein ausdruck für eine rasierte muschi ist.

Das was bleibt, diese Schleimspur, ist nicht nur Fett. Das muß mehr sein. Es sieht ein bißchen aus wie Eiweiß, wenn es eintrocknet. Ich denke, das ist Eiweiß, weil das auch so klebt. Das wird so fest. Grad wenn ich mir überlege, wie die andern Schnecken ihr Haus baun, muß ich dran denken, wie stabil dieser Schleimkleister ist, wenn er auf der Unterlage trocknet. Schneckenschleim und Bauchspeichel - ob da Parallelen sind? Ich meine nicht den sauren Magenglibber, sondern wirklich Bauchspeichel. Was passiert mit Schneckenspeichel, wenn der mit Schleim vermengt wird? Vielleicht haben Nacktschnecken keine Häuser, weil sie Kleister verdauen. Aber wenn sie den verdauen, heißt das, dass sie nen ubiquitären Magen haben? Das ist alles so schwierig. Haben Schnecken Diabetes oder Depressionen? Und wenn, wie schnell werden die hypoglykäm? Und wie reagiert der Insulin-Spiegel auf Depression?

im sommer in der elbaue hab ich ein paar gefunden, ziemlich groß und das gras war nass. die sollen warzen auflösen, hatte jemand erzählt und das scheint zu stimmen. nachdem ich das paar getrennt hab, bin ich mit einer von beiden durch die wiese bis ans ufer gelaufen. so viel welt hatte die bestimmt noch nicht auf einmal gesehen. ja und dabei hat sie auf dem daumen gehockt und mir so geholfen. aber auf dem heimweg fand ich ihren Co. dann nicht mehr, ein tragischer augenblick. dann hab ich sie neben eine andere schnecke gesetzt, die so ähnlich aussah. vielleicht hat sie den unterschied gar nicht gemerkt. ist ja auch bloß ne schnecke, oder? ja ich weiß, dass bei der zentralnervös auch einiges passiert. das ist jetzt auch alles schon ergebnis einer langwierigen intensiven trauerarbeit, dass ich das jetzt so locker flockig erzählen kann, als ob nichts weiter passiert wäre.

Erst gestern bin ich, versehentlich, als ich auf den Fahrplan der Busstation blickte, auf etwas schleimiges, glibbriges, unbekanntes gestiegen. Mein Gefühl sagte mir, das kann kein Hundehaufen sein. Als ich nach unten blickte und meinen Fuß erschrocken und vorausahnend angeekelt zurückzog, kam ein stark wässerndes und in Mitleidenschaft gezogenes Etwas zum Vorschein. Beim näheren Betrachten: Ah, eine Nacktschnecke. Es hatte ja auch geregnet. Sie lag da, bewegungsloser denn je. Im eigenen Saft. Sie tat mir leid. Aber Entschuldigung, selbst schuld! Eine Busstation ist auch kein Platz für eine Nacktschnecke!