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Da wird also in Berlin ein Junge verprügelt. Krankenhausreif. Naja, kommt ja öfters vor in letzter Zeit. Vor allem, wenn gleich zwanzig »Jugendliche« über einen herfallen, dann kann das schonmal hart sein.
Da gab es also mächtig Ärger für den Jungen, und das nur, weil ein von ihm arrangiertes Streitgespräch gescheitert ist.
Kennt man ja. Wenn ein klärendes Konfliktgespräch eskaliert, wird daraus schnell mal ein Streitgespräch, und dann kann es laut werden, und dann ... naja, gibts halt von zwanzig Mann was auf die Glocke. Sowas ist nicht schön, wirklich nicht. Vor allem, weil der Junge doch nur seine Freundin gegen böse Cybermobber verteidigen wollte.
Folgerichtig erregte sich gestern im Radio eine Cybermobbing-Expertin über die Gefahren dieser Beleidigungsseiten im Internet. Das wäre alles ganz schlimm, und da wären die Behörden gefragt, denn sowas gehört verboten, weil man sieht ja wohin das führt, nicht wahr? Zwanzig gegen einen! Wo der doch nur einen Streit seiner Freundin mit ihren Mobberinnen schlichten wollte. Alles nur wegen dieser Internetseite! Die muss natürlich sofort abgeschaltet werden!
Finden ja auch die Eltern und interviewte Schüler. Alles furchtbar, weil anonym. Man kennt ja seinen Beleidiger nicht namentlich.
Hm. Nun denke ich ja, dass dieses Problem schon bestand, bevor jemand das Wort Mobbing erfunden hat. Kann sein, dass schon die Germanen abseits des Langhauses über abwesende Mitgermanen gelästert, oder römische Legionäre auch mal »Sixtus ist doof« in die Latrinenwand geritzt haben. Das war ja auch anonym, genauso wie die Kritzeleien an den Wänden öffentlicher Toiletten heutzutage.
Bringt denn nun echt das Internet, oder sogar nur »spezielle Seiten« darin, die Leute zum durchdrehen? Würde es was bringen irgendeine Website abzuschalten, wo doch täglich irgendeine neue geschaltet werden kann? Brauchen wir jetzt eine Anti-Mobbing-Internetpolizei? Warum war es bisher nicht notwendig Sitzkeramik-Umhausungen zu verbieten?
Vielleicht hilft es, sich diesen vorangegangenen Mobbing-Multilog mal in Teilen zu Gemüte zu führen. Der ganze Text ist mir zu lang, aber vielleicht kann ich ja irgendwie konstruieren, wie es zur Eskalation kam.
Berlin -> Neukölln -> Neukölln -> Kurt-Löwenstein-Schule 19.03.2011 12:46:45
»wallah diese schule is die grössssste nuttttttten schule der menschheitttt ich fick allllllllllllle die libanesinen dort nutttten die türken nuttten die plos naja plos einfach king ihr wisst aba wallah alles nuttttten lehrer nutten richtige puff schule libanese fickt seine eigene landsfrau dreckige chahrour scheisse ihr ich fick eure toten und euren opa diesen fix«
Ähm ... ist das jetzt dieses Kiezdeutsch, welches nach Ansicht der Wissenschaftlerin Heike Wiese unsere Sprache voranbringen kann?
Ich versuche mich jetzt mal daran, diese anscheinend sehr emotionale Ansprache zu verstehen:
Da ist anscheinend jemand mit der Gesamtsituation an seiner Schule nicht zufrieden. Er goutiert wohl nicht, dass er von vielen sexuell freizügigen weiblichen Personen umgeben ist. Vielleicht möchte er ja insgeheim mit ihnen allen kopulieren und kommt nicht zum Zuge? Wenn ich das richtig verstehe, sieht er sich als Mitglied der »plos«, woraus ich einfach mal PLO konstruiere und auf einen palästinensischstämmigen Jugendlichen tippe. Als solcher scheint er es nicht gutzuheißen, dass ein libanesischstämmiger Junge ein sexuelles Verhältnis zu einer »Landsfrau« unterhält.
Das bringt ihn so in Rage, dass er seine angestauten Energien sogar auf nekrophile und gerontophil-homosexuelle Weise abreagieren möchte. Erstaunlich!
Dies scheint nun einen Kommentator/eine Kommentatorin zu einer Antwort zu veranlassen. Ist es gar »die Freundin«, die sich hier gegen die Beleidigung zur wehr setzen möchte?
»du hurensohn rede nich über tote du basdart sag mal dein namen du kleiner hurensohn«
Diese Retourkutsche verlangt nach sofortiger Antwort:
»SCHNAUZE DU DRECKIGE GUCK DICH SELBER AN DU ABGEFICKTE HURE«
Okay, wir wissen jetzt, dass es sich um junge Frau handeln muss. Und natürlich kann sie diese Pöbelei nicht auf sich sitzen lassen:
»mädschen ihr fickt rum un nennst mich ne hure tzz du bist auch sone libanesen nutte«
Huch? Sollte Kommentarersteller Nummer 1 tatsächlich auch weiblichen Geschlechts sein? Dann erscheinen die erotischen Avancen an den unbekannten Opa natürlich in einem ganz anderen Licht. Oder aber, wir haben es hier schon mit mehreren Personen zu tun. Seltsam.
»Woher willst du wissen das ich ein mädchen bin du hure wallah wenn du sone große fresse hast dan schreib doch dein name ich wette mit dir du wist dein name nicht schreiben weil du dir dan vor angst in die hose machst du durchgenommene«
Oha, da hat sich die Angesprochene wohl doch vertan. Das ist sowohl ärgerlich, als auch peinlich. Nach so einem Fauxpas heißt es Rückzug, oder in die Offensive gehen:
»mann nur weil ich sex hatte bin ich ne nutte was is mit deiner mutter«
Gute Frage. Eine verzwickte Situation für den so Angesprochenen. Er weicht auch sofort aus:
»Komm halt die fresse !«
Nun kommt aber offensichtlich eine bisher unbeteiligte Person dazu und heizt die Situation grundlos wieder an:
»Nr.1 haha guck mal wer da redet ein mensch ohne land urteilt über menschen die wenigstens ein paradies als land haben«
Das verstehe ich nun nicht. Gehen die beiden Protagonisten nicht auf dieselbe Berliner Schule, leben also auch im selben Land - der Bunten Republik? Na, trotzdem ist sowas nicht nett, und die Sache eskaliert dann auch so langsam. Es geht jetzt wieder um geschlechtliche Vereinigungswünsche, verlorene Heimatländer, Asozialität, Olfaktorisches und Gefängnisaufenthalte, sowie um die Bezeichnung doch offensichtlich nahoststämmiger Mitschüler als »Sinti und Roma«. Homosexualität wird thematisiert und es geht um Politik, Ehre, Juden und den Koran. Manches in dem Kuddelmuddel lässt einen dann doch ratlos zurück, wie diese Zitate zum Beispiel:
»lak du zigeuner hurensohn ich fick deine mutter was plos ehren lose ich fick dein vater naundd wir kommen in den knast was is mit euch ihr ehrenlosen hurenkinder kommt ihr nich in den knast oda was und wenn ihr so ein paradies land habt was suchst du in deutschland verpiss dich doch in dein billig land ich fick hassan nasrallah diesen huuurensohn«
»lak du du hurensohn redst über sayed hassan wenigsten besserals hamaz das auf stark tut ihr habt nicht mal waffen wenigsten besüchtzen wir unser land und geben sofor auf wie ihr nuttenkinder kiss e5t hamaz w yali 5ala2o hamaz«
Nachdem dann schon zu ausschließlicher GROSSSCHREIBUNG übergegangen wurde, outen sich auch nach und nach die hier Diskutierenden und verabreden sich zu einem klärenden Konfliktgespräch. Also mit der Anonymität ist es jetzt jedenfalls vorbei.
Wenn ich diesen vorangegangenen Disput so Revue passieren lasse, bin ich eigentlich nicht mehr unbedingt das Ansicht, dass es notwendig ist die virtuellen Klotüren des Internets zu verbieten. Ich denke eher, dass da Ländergrenzen durchaus friedensstiftenden Charakter haben könnten.