dujetztnichtauchnoch
Bewertung: 7 Punkt(e)
( Vorhang auf. Die Bühne ist dunkel. Man hört nur leise das Geräusch einer
mit Unwucht im Schleudergang anlaufenden Waschmaschine (Bauknecht Bj. 1967),
das im Abstand von 10 Sekunden für die Dauer der Szene wiederholt wird.
Es soll auf keinen Fall das Bühnengeschehnis übertönen, aber unaufdringlich
präsent sein.
Nach etwa einer Minute beginnt ein Suchscheinwerfer langsam das Bühnenbild
abzutasten, so daß für die Zuschauer die Gegenstände in dem wandernden,
eng umrissenen Lichtfleck (Durchmesser etwa 75 cm auf der Bühne) erkennbar
werden. Man registriert so im Laufe der Zeit einen einfachen Notenständer aus
Metall (ohne Noten), der sich in der Mitte der Bühne befindet, vom
Zuschauerraum aus gesehen rechts daneben einen Stuhl, vor dem eine kleine
Plastikwanne steht, und einen zweiten Stuhl links vom Notenständer in einigen
Metern Abstand. Rechts hinten befindet sich eine Türe in der Wand, die das
Bühnenbild in die Tiefe abgrenzt.
Nachdem der Suchscheinwerfer die Szene zweimal abgetastet hat, verlischt er
schlagartig und nach etwa 20 Sekunden erhellt eine nackte Glühbirne, die etwa
2 Meter über dem Notenständer hängt, die Szene. )
Weibliche Stimme aus dem Off:
»Blaster drei Punkt null bitte, Blaster drei Punkt null bitte. Danke«
( Durch die Türe betritt P. die Bühne, um die 45 Jahre alt, etwa 120 Kilo
schwer, gekleidet in einen verschlissenen braun-orange längsgestreiften
Morgenmantel. An den Füssen trägt er dunkelbraune Altmännerpantoffeln. An einem
Ledergurt um seinen Hals hängt ein Baritonsaxophon, dessen Gewicht ihn eine
gebückte Haltung einnehmen lässt. In der linken Hand trägt er ein einzelnes
Notenblatt, auf dem nur ein Fis' im Violinschlüssel überdimensional groß
notiert ist, so daß die Zuschauer die Note erkennen können. In der rechten
Hand trägt er einen weiß emaillierten Blecheimer. Er schließt die Türe ohne
sich umzudrehen mit einem gezielten Rücktritt des linken Fußes.
P. schlurft gemütlich über die Bühne zu dem Stuhl am Notenständer, Das Geräusch,
das die schleifenden Ledersohlen seines Schuhwerkes erzeugen, wird durch
Kontaktmikrophone im Bühnenboden aufgenommen und, leicht mit Hall versehen, in
den Zuschauerraum abgestrahlt.
[Während der folgenden Verrichtung muß der Darsteller von P. darauf achten,
daß das Baritonsaxophon, das er ja nicht vom Gurt abnimmt und das daher die
ganze Zeit vor seinem Körper herumbaumelt, nirgendwo anschlägt, was seinen
Bewegungen eine zusätzliche Unbeholfenheit verleiht. Er wirkt dabei jedoch
keineswegs hektisch sondern eher ruhig und gelassen.]
Am Notenständer angekommen stellt P den Eimer neben der Plastikschüssel vor dem
Stuhl ab und plaziert das Notenblatt auf dem Ständer, klemmt es mit
einer Wäscheklammer, die er aus der Tasche seines Morgenmantels entnimmt, fest
und gießt dann den Inhalt des Eimers (warmes Wasser mit einem Schaumbadzusatz)
in die Schüssel. Danach nimmt er selbst auf dem Stuhl Platz, streift die
Pantoffeln ab und taucht seine nackten Füße mit sichtlichem Wohlbehagen in das
warme Wasser in der Plastikschüssel. )
P.: »Aaahhhhh....gut!«
(P. entnimmt der Brusttasche seines Morgenmantels ein längliches schwarzes
Etui, klappt es auf und steckt sich ein Baritonsaxphonblatt in den Mund, um
es einzuweichen. Danach wirft er das Etui über seine rechte Schulter hinter
sich. Er reibt ein wenig die Füße im Wasser aneinander und beginnt dann
umständlich, das Baritonsaxophonblatt in das Mundstück seines Instrumentes
einzubauen, das er dazu vom S-Bogen abnimmt.)
Weibliche Stimme aus dem Off:
»Blaster drei Punkt null bitte, Blaster drei Punkt null bitte. Danke«
( Nachdem mit dem Saxophonmundstück alles zu Ps. Zufriedenheit eingerichtet
ist, steckt er es wieder auf den S-Bogen seines Instruments und beginnt ohne
Umschweife mit einer hektisch energetischen Etüde im Stile des frühen
Brötzmann, Fortissimo und Allegretto Vivace. (Für Studien eignen
sich etwa die Alben »Machine Gun« und »the End« von Peter Brötzmann.)
Nach etwa drei Minuten betritt A. die Bühne durch die Türe, durch die auch
P. gekommen ist. Er ist in einen hellblau-dunkelblau gestreiften Pyjama
gekleidet und trägt keine Schuhe, dafür aber weiße Tennissocken.
Er hat einen länglichen schwarzen Koffer in der Hand und strebt, von den donnernden
Kadenzen aus Ps Saxophon anscheinend völlig unbeeindruckt, dem zweiten Stuhl
auf der Bühne zu. Dort angekommen legt den Koffer auf diesem ab, öffnet ihn und
beginnt, das sich im Koffer befindende Tenorsaxophon zusammenzubauen.
Nachdem er damit fertig ist, legt er einen Ledergurt um seinen Hals, befestigt
das Saxophon daran und beginnt, in das »Solo« von P. einzusteigen.
Sekunden später bricht P. , vom Stuhl aufspringend und dabei den Notenständer
umstossend, sein Spiel ab. In der gelben Plastikschüssel stehend wendet er sich
mit sichtlicher Überraschung A. zu, der ebenfalls mit seinem Spiel aufgehört
hat und P. erwartungsvoll ansieht.)
P.: (Stakkatoartig) »Du jetzt nicht auch noch.«
A.: (in gestelzter Diktion) »Doch, ich jetzt auch.«
P.: »Du jetzt nicht wirklich, oder?«
A.: »Doch, ich gerade jetzt.«
P.: »Du jetzt reicht es aber.«
A.: (langsam von seinem Stuhl aufstehend) »Was, nach zwei Runden schon?«
P: (wütend, aus der Schüssel steigend und, sein Rage steigernd, mit nassen
Füßen auf A. zupatschend): "Dujetztnichtauchnoch, Dujetztnichtauchnoch,
Dujetztnichtauchnoch!"
( Vor A. angekommen verstummt P. und bleibt schweratmend stehen. A. steht starr,
ungerührt. Das Licht geht aus, Vorhang. )
( Die Zuschauerraumbeleuchtung wird schnell aufgeblendet. Die Aufnahme der
im Schleudergang anlaufenden Waschmaschine wird nun vollständig mit
anschwellender Lautstärke einmal abgespielt. Durch die Ausgänge strömen, noch
während das Licht angeht, etwa fünfzig Männer (Pykniker, keine Athleten!) im
Playboy-Bunnykostüm (weißer Kragen mit schwarzer Fliege, schwarze Korsage,
schwarze Netzstrümpfe, schwarze Pumps) in den Saal und machen mit ihren
Plastikkalaschnikovs den Zuschauern durch drohende Gesten unmißverständlich
klar, das Theater ohne Umschweife zu verlassen, indem sie Personen mit den
Läufen anschubsen und beständig das Schnarren ihrer Spielzeuge hören lassen.
Keine Chance für Beifalls- oder Ablehnungsbekundungen.
Am Ende der Schleudergangaufnahme sollte sich niemand mehr im Saal befinden.
Die »Belästigungen« durch die »bewaffneten« Playboy-Rammler setzen sich bis
an die Garderobe fort, wo die Garderobieren bereits die Anarchie ausgerufen
haben und um einen aus den Mänteln und Roben gebildeten Haufen herumtanzen und
den Zuschauern den Zugang zu ihren Kleidungsstücken unter hämischen Zurufen
von mit mindestens -4 bewerteten Erstassoziationen des Assoziationsblasters
erschweren. Vor dem Theater bekommen die Zuschauer blühende Tulpenzwiebeln in
die Hand gedrückt und dürfen dann ihres Weges ziehen. )