Wichtigkeit
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Wichtigkeit kennt naturgemäss keine Grenzen. Faulheit natürlich auch nicht. Ich machs mal vor:
Fanatikerinnen wie Fatale gibt es überall. Das Magazin Gear übertrumpfte sie kürzlich mit einem hemmungslos chauvinistischen Essay einer unverbesserlichen Vorkämpferin der weiblichen Ejakulation: »Obacht: Frauen, die in der Lage sind, zu ejakulieren, sind anders im Bett (und in der Küche, im Auto, im Film) als solche, die dies nicht können. Klitorale Frauen mögen es, einen Penis in sich zu spüren, doch sie wissen, dass der Schlüssel zum Glück woanders liegt … Ejakulierende Frauen sind eins mit sich und der Welt und ihrer Rolle als Lebensspenderin.«
Während ich mich im Rahmen meiner eigenen Abspritzversuche in diese Art von »Aufklärungs«-Material vertiefte, wurde mir klar, dass auch ich begonnen hatte, das vollkommenste aller Organe zu vernachlässigen, das so vielen Menschen (mich selbst eingeschlossen!) zu größter Ekstase verhilft: den Kitzler. Das einzige menschliche Organ, das keinerlei offensichtlichen evolutionären Nutzen hat - abgesehen von den unzähligen Stunden der Lust, die es seiner Besitzerin bereitet. Was ist also daran auszusetzen? Zumal die klitorale Revolution, ein großer Fortschritt für die Zivilisation, vielleicht bedeutender als das Rad oder gar das Schnittbrot, immer noch nicht abgeschlossen ist. Die meisten Frauen - schätzungsweise fünfzig bis fünfundsiebzig Prozent - brauchen irgendeine Art von klitoraler Stimulierung, um zum Höhepunkt zu kommen. Vielen bleibt diese offenbar versagt; Studien, auf die sich der Good Vibrations Guide to the G-Spot beruft, haben ergeben, dass ein Fünftel bis zwei Drittel aller Frauen nur selten einen Orgasmus haben. Die Klitoris ist für die weibliche Sexualität von so entscheidender Bedeutung, dass, wie die New-York-Times-Autorin Natalie Angier in ihrem Buch Frau. Eine intime Geographie des weiblichen Körpers behauptet, manche im Pro-Klitoris-Lager ihrem Lieblingskörperteil sogar die weibliche Ejakulation und all die anderen Freuden des G-Punkts zuschreiben. Schließlich, argumentieren sie, hat die Klitoris so viele Nerven, die sich in alle Richtungen erstrecken, dass niemand weiß, wo sie aufhört. Angier, selbst eine unerschrockene Verfechterin des klitoralen Sex, schreibt: »Die Wurzeln der Klitoris reichen tief … und können höchstwahrscheinlich auch von hinten gereizt werden. Mit anderen Worten, der G-Punkt ist vielleicht nichts anderes als das hintere Ende der Klitoris.«
Am G-Punkt-Fanatismus solcher Leute wie der erschreckend unreflektierten Frau Fatale beunruhigt mich zweierlei: Einerseits könnte er dazu führen, dass der Klitoris nicht genug Beachtung geschenkt wird, und andererseits dazu, dass man sich sexuell unter Druck setzt. Als die G-Punkt-Forscher Perry und Whipple begannen, ihre Forschungen in medizinischen Fachzeitschriften zu veröffentlichen und damit viel Aufmerksamkeit bei den Mainstream-Medien errangen, erhielten sie Briefe von Leuten, die das Gefühl hatten, ihr Sexleben leide darunter, dass sie diesem willkürlich gesetzten neuen Standard gerecht werden müssten. Eine zweiunddreißigjährige Frau aus Pennsylvania schrieb, dass ihr Mann, seit er von der Arbeit der beiden Wissenschaftler erfahren hatte, ihr ständig zusetzte: »'Hast du abgespritzt, hast du abgespritzt?' … Es war schon schlimm genug, dass er immer wissen wollte, ob ich einen Orgasmus hatte. Jetzt soll ich auch noch ejakulieren.«
Einfach ein völlig geklauter Text. Aber: Faulheit und Wichtigkeit passen doch prima zusammen, oder?