Weinbergschnecke
Bewertung: 1 Punkt(e)
Der Typ hatte einen Schleifklotz mitgebracht, so einen aus Kork, handlich, schwammgroß. Draussen im Garten war schon ein Bassin aus Blech aufgebaut, 4x4 Meter oder so, da lief das Wasser rein, die Wand war aber nur 15 Zentimeter hoch. Edelstahl, die Sonne schien, alles durchblitzt von grellen Reflexen. »Twang« bog sich das dünne Blech unter der Last des Wassers, bis es an einer Stelle über den Rand trat. Wir standen alle um das Bassin herum, der Typ latschte zu seinem Auto und holte den Korb mit den Weinbergschnecken, die er wortlos auf den Korkklotz setzte. Dann latschte er in Schuhen und ohne sich die Hosen hochzukrempeln in die Mitte des Bassins, setzte den Klotz behutsam ab, stieg mit zwei grazilen Schritten wieder raus und ging zum Auto, wo er sich eine Zigarette anzündete.
Etwa zwanzig Schnecken auf einem Haufen treiben auf einem viel zu kleinen Korkfloss. Um sie herum nur Wasser. Und die Schnecken bewegen sich umeinander, übereinander, plötzlich kentert der Klotz und alle Schnecken hängen unter Wasser.
»Hey, Du kannst die Schnecken nicht so ersaufen lassen.« Der Typ zündet sich nur eine weitere Zigarette an, einzelne gehen jetzt zu ihm hin. »Bist Du bescheuert?« Er pustet den Rauch ins Gesicht seines Gegenübers: »Was meinst Du, was am Weinberg los ist, wenn es regnet? Warte mal ab.«
Die noch am Wasser stehen und durch die Reflexe des Sonnenlichts mit zugekniffenen Augen hinein starren sehen Schnecken langsam zum Rand des Bassins streben, skurrile Unterwasserfahrzeuge, gar nicht mal langsam. Als die erste Schnecke über den Rand auf die Wiese kriechen will, packt der Typ sie in den Korb, wir warten geduldig, bis alle wieder aufgesammelt sind. Zwei Schnecken sind am dem Korken geblieben und haben es geschafft sich wieder an die Oberfläche zu arbeiten, sie warten, bis der Wind ihr Floß an den Rand treibt, um dann ebenfalls eingesammelt zu werden. »Das war's« meint der Typ und wir gehen davon.