Spieß
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Die sogenannte Mutter der Kompanie. Auch ich hatte mal einen, der, wie die meisten Menschen, diese und jene Seiten hatte. So war er beispielsweise stets zur Stelle, wenn mal jemand eine dienstliche oder nichtdienstliche Angelegenheit zu klären hatte. Auch hat er sich immer schützend hinter »seine« Jungs gestellt und zur richtigen Zeit die richtige Belobigung ausgesprochen. Außerdem hat er mich die letzten vier Wochen zur Ordonnanz nach GooseBay geschickt, was erstens für Angehörige einer Luftwaffensicherungsstaffel absolut untypisch ist und zweitens einiges an wehrverwalterischer Finesse und Herumtelefonieren mit den anderen Spießen abverlangt. Darüber hinaus war er aber auch ein arger Trinker. Pünktlich nach Dienstschluss gleich mit den Zugführern ab ins Uffz-Heim, wo es dann abging, aber holla, die Waldfee. Wenn er es dann nicht mehr nach Hause geschafft hat, konnte er sich mit Hauptfeld' Müller (der Infanteristentod auf zwei Beinen) in Block 10 auf eine Pritsche knallen. Spaßig war dann jeweils der nächste Morgen, wenn er noch völlig zugeballert alles und jeden niedergebrüllt hat, der keine vernünftige Meldung hingekriegt hat. Mir ist das zum Glück nie passiert, aber dem Schwachmat aus dem GeZi, mit dem ich fatalerweise die Stube teilen musste, standen regelmäßig die Haare zu berge und die Spucketropfen des Spieß im Gesicht. Da meine Person unter Umgehung jeden Wehrrechts auch der sogenannte Munitionsbeauftragte der Staffel war, oblag mir die Führung der für jede Einheit unverzichtbaren Munitionsverbrauchsnachweise. Das muss man sich so ähnlich vorstellen wie eine doppelte Buchführung, die auch jeweils immer durch insgesamt drei »Munitionskontoauszüge« (dies zu erklären, würde hier zu weit führen) belegt sein muss. Leider hatte mein Vorgänger dies sträflichst vernachlässigt, in den aus rechtlicher Sicht Urkunden herumgetipp-ext, ohnehin die »Munitionskontoauszüge« als Beleg verbasselt und nie abgezeichnet. Das lag allerdings auch daran, dass meine Einheit eine Art Strafeinheit war, in der im Grunde nur Vollpfosten und Verbrecher waren, die dann dorthin strafversetzt worden sind, um sie zu schleifen. Jedenfalls stand kurz vor meiner Entlassung eine Überprüfung ebenjener Munitionsverbrauchsnachweise, die in Kladden geführt werden, an und anhand derer Gedeih oder Verderben einer Einheit festgemacht wird. Da unsere Kladden total versaut waren, setzten wir uns, das heißt mein Spieß, mein Nachschubchef, der Chefmunitioner des Geschwaders und meine Wenigkeit eines abends nach Dienstschluss ins Nachschubbüro, wo der Spieß unter der Bemerkung, dass wir sowas nur im Vollsuff machen könnten, weil wir ansonsten alle mann in den Knast wandern würden, ein paar Flaschen Bacardi auf den Schreibtisch stellte, die wir dann reih um kippten. In dieser Nacht habe ich die Munitionsverbrauchsnachweise von vier Jahren »neu« erstellt (und in einer kämpfenden Einheit kommt da einiges zusammen, bspw. hatte unser Geschwader damals ein Jahreskontingent von 7,5 Mio Schuss 7,62mm Vollmantel, wovon allein unsere Staffel mit ihren zwei Zügen erstmal 5 Mio Schuss im Jahr verballert hat, Panzerfaustmunition, Leuchtspurmunition, Leuchtraketen, Granaten und was nicht alles mal gar nicht eingerechnet), also gefälscht, während der Spieß und der Obermuner die jeweiligen Unterschriften lieferten und mein Nachschubchef immer fein nachgoss. Ich glaube mich zu erinnern, gegen kurz vor vier am nächsten morgen fertig gewesen zu sein, dann lagen bestimmt zehn niegelnagelneue, aber eigentlich alte Kladden vor mir und ich hatte gehörig die Schnauze voll. Dummerweise musste / durfte ich an diesem Tag noch meinen Seesack packen, um per NATO-Marschbefehl über Köln nach GooseBay zu fliegen. Das war schön.