Schwulesse
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Legende von der Verschwulung des Lao–tzu auf dem Weg in die Emigration
'rain is also of the process'
Als der Zöllner siebzig war und war gebrechlich,
drängte es ihn nach Gewissensruh',
denn seit Zustand, der war ausgesprochen schwächlich,
und die Krankheit nahm an Kräften wieder einmal zu.
Und er rief zu sich den Zöllnerlehrlingsburschen Chu.
Chu, er hatte das, was man als junger Kerl so brauchte.
Wenig. Aber hübsch genug so dies und das.
Wenn er abends nach dem Dienst ein Pfeifchen rauchte,
pflegt dem Zöllner oft zu sein, daß er einmal vergaß,
wie er Chus Erscheinung für Minuten mit den Augen maß.
Rief nun also Chu zu sich und fragte:
„Sag: Hast du je vom Tao Te King gehört?“
Chu stand da und sann recht lang. Bis er dann sagte:
Daß das Harte stets dem Weichen unterliegt,
alles wird in ew'gem Wechsel umgepflügt.“
Bei den Worten nickt der Zöllner sacht auf seinem Bette,
sagte: „Chu, dir sei dies jetzt als erstem Mensch erzählt,
Keiner wüßte heut vom Weg des Taos, hätte
jener weise Lao nicht den Weg über den Pass gewählt
wo dein alter treuer Lehrherr 40 Jahre Wache hält.“
„Meister, Ihr?“ ruft Chu, der Zöllner lächelt
„Es war Frühherbst, mit dem Südwind kamen,
ein beleibter Alter und ein junger Knabe, der ihn fächelt.
Auf 'nem Ochsenkarren. Frag ich ihn nach seinem Namen,
Sagt er: „Frage nicht, die kommen, frage die, die kamen!“
Und der Zöllner mustert jenen knorr‘gen Alten
und erst recht den Knaben, der ihm da zur Seite ruht.
Und er fragt ganz nebenher beim Zollpapierefalten:
„Wollt ihr heut noch weit? Das Wetter wird nicht gut.
Ihr könnt gerne bleiben, wenn‘s bequemen tut.“
Meister Lao, der Ochs, der Knabe sehn auf den Beamten:
Braungebrannt vom langen Stehn am Kiangsu–Pass.
Breite Schultern, die von Ahnen aus dem Norden stammten,
und ein breites Lächeln voll Schwulesse ohn‘ Unterlaß.
Und tatsächlich wurde grad der Himmel etwas nass.
Also blieben sie zu Gast. Zunächst für ein paar Stunden.
Dann für eine Nacht. Daraus wurden sogar dreimal zehn.
Und man hat die drei in jener Zeit gefunden
engumschlungen auf des Kiangsu Pfaden gehn
und der Herbst begann für alle drei sehr schön.
Meister Lao, er liebte seinen Ochsentreiberjungen,
der war etwas in des Zöllner Uniform verguckt.
doch der Zöllner hat sich nur den dicken Weisen ausbedungen
nur bei dem hat ihn der Bürzel und zwar nicht zu knapp gejuckt.
Spannungsvolles Dreieck, wechselvolles Stoffprodukt.
Aber schließlich sprach der Alte: „Zöllner, ich muß weiter.
Für das Obdach, all die Wärme nochmal Dank gesagt.
Dir sei Dank: Seit diesem Monat denke ich, befreiter,
daß die Molligkeit die steife Härte provoziert und überragt:
Überfluss wird nie beendet, allenfalls vertagt.“
So erzählte es der alte Zöllner auf dem Bette.
Chu, sein Liebster, hörte ihm geduldig zu.
Er empfing dies Glied aus des Erinnerns Kette,
Wissend nun den Grund der Weichheit des Lao–tzu.
Und des alten Zöllners Seele hatte endlich Ruh.