Einige überdurchschnittlich positiv bewertete
Assoziationen zu »Schömberg«
Die Leiche schrieb am 5.5. 2011 um 18:50:32 Uhr zu
Bewertung: 3 Punkt(e)
Wenn Briefe vom Gericht kamen, oder von seinem Anwalt - dann blieben sie oft tage- oder gar wochenlang ungeöffnet liegen. Schömberg hatte keine Kraft mehr für das ewige Bestreiten, die Beantragung und Anordnung von Begutachtungen, die Einlegung von Rechtsmitteln, Terminsverlegungen und Fristverlängerungen. Seit zwei Jahren schleppten sich die Verfahren hin. Das Sozialgericht sollte über seine Erwerbsunfähigkeitsrente befinden, das Landgericht über seine private Berufsunfähigkeitsversicherung, aus der er laut Vertrag eine Rente von 2.500 € beziehen sollte. Man hatte ihm einen Vergleich angeboten: erst 10.000, dann 15.000 €. Da hätte er jetzt etwas davon, sagte man ihm unverblümt. Ob er den Ausgang eines Rechtsstreits bis zum bitteren Ende noch erleben werde, sei dagegen unsicher. Der Gutachter, den das Sozialgericht beauftragt hatte, teilte unterdessen - nach über einem Jahr Stillschweigen - mit, daß er in Anbetracht seiner Überlastung vor Ablauf von 12 - 15 Monaten keine Bearbeitung, erst recht keine Untersuchung Schömbergs vornehmen könne. Einen anderen Gutachter zu beauftragen, hatte das Gericht abgelehnt. Die übrigen infrage kommenden Gutachter, so schrieb das Sozialgericht, seien mindestens ebenso überlastet.
Die Leiche schrieb am 31.5. 2011 um 09:39:50 Uhr zu
Bewertung: 2 Punkt(e)
Schömberg lebte also nun mit seinem Sohn Lars in der kleinen Zweiraumwohnung zusammen. Schömberg bewohnte das größere Zimmer, Lars das kleinere, das ehedem Schömbergs Schlafzimmer gewesen war. Schömberg fühlte sich an seine Studentenzeit erinnert, die WG in Regensburg, wohin ihn die ZVS verschlagen hatte. Frühmorgens fuhr Lars Schömberg mit dem Zug in die benachbarte Kreisstadt zum Gymnasium, am Spätnachmittag kam er nachhause, manchmal auch erst mit dem letzten Zug, manchmal garnicht, auch für mehrere Tage. Schömberg fragte nie, wo er war, wann er wiederkommen würde - es sei denn, wenn sie sich verabredten, etwa zum gemeinsamen Kochen oder einem Besuch im »Mykonos-Grill«. Diese unaufgeregte Gleichgültigkeit erregte in Schömbergs Sohn Lars weitaus größere Sympathien für seinen Vater, als Schömberg vermutet hätte. Er konnte gehen, wohin er wollte, und wenn er wiederkam, fühlte er sich herzlich willkommen. Daß Vater und Sohn Schömberg gerade ihre ersten Vorstrafen abgefasst hatten - Schömberg wegen Insidergeschäften, sein Sohn als Schulhofdealer - trug ebenso zur familiären Solidarität bei, wie ihrer beider Affinität zum rumschwulen; gleichwohl war diese bei Schömberg ausgeprägter, als bei seinem Sohn, der öfters seine Freundin Jasmin mitbrachte. Schömberg zog sich dann regelmässig am frühen Abend mit seinem Campingbus aus der 65-qm-Wohnung zurück.
ruecker42 schrieb am 24.5. 2011 um 21:00:51 Uhr zu
Bewertung: 2 Punkt(e)
Peters ließ seinen Blick aus dem bis zum Boden reichenden Fenster seines Büros über die Stadt ziehen, die sich 16 Etagen unter ihm ausbreitete.
Das Spiegelbild dieses Panoramas wurde durch die Fugen zwischen den Fassadenelementen des Nachbarturmes in waagrechte und senkrechte Linien unterteilt, Peters fing leise an zu kichern, als ihm dies auffiel. »Los«, sprach er in strengem Tonfall zu seinem Schreibtisch, »analysieren Sie den Chart nicht, erfassen Sie mit einem Blick den Trendkanal. Es ist keine Zeit für langwierige Erörterungen und Abschätzungen, Sie müssen schnell und präzise entscheiden.« Trendkanal, Linien wir auf dem Bild von Kandinsky ...
Er schüttelte sich kurz und kam sich dann selbst übertrieben pathetisch vor. Was Furgeson ihm da in der vierzigsten Etage über dem dampfenden Espresso offenbart hatte, konnte ja gar nicht sein. Vielleicht hatte er in seiner Pfeife ja etwas von dem Zeug geraucht, daß man unten in den Anlagen kaufen konnte, wenn man es darauf anlegte. (Elaine meinte einmal, daß man in den Anlagen nur übelste Qualität bekäme, sie könne dann auch gleich alte Schuhcreme rauchen. Peters konnte das nicht beurteilen, im Alter von vier Jahren hatten seine Eltern ihn zu Sylvester an einer Mentholzigarette ziehen lassen, dieses »Erlebnis« hatte ihn ein für allemal geprägt, er rauchte nicht und trank keinen Alkohol.) Andererseits wurde ihm klar, daß diese Aktion eine Vorlaufzeit von jetzt gut 5 Jahren hatte (von 2007 bis 2010 wurde der ganze Komplex renoviert, nur da war das mit der Glasfaser überhaupt möglich gewesen, ohne allzu große Aufmerksamkeit zu erregen), das konnte kein Einfall eines »Kiffers« sein. Und niemand hatte auf Peters gewartet, man hatte einfach nur auf jemanden gewartet, der einen Teil dieser Aktion umsetzen können würde, und das war nun - rein zufällig - er. Na dann. Er beschloß, zu den Charttechnikern zwei Etagen tiefer zu gehen und dort nach Literatur über diese Elliott-Wellen zu fragen. Mit gut sechs Millisekunden Vorsprung sollte etwas zu machen sein, und Peters interessierte es schließlich, ob das ganze nun tatsächlich funktionieren würde oder einfach nur ein riesiges Hirngespinst sei. Furgeson war ihm einfach zuvor gekommen, er hatte ihn ja eh' dazu fragen wollen. Elliott, Eliot ... »I've heard the mermaids singing, each to each. I do not think that they will sing to me.«, er trat auf den Flur und begann auf dem Weg zum Fahrstuhl (nein, heute keine Treppen mehr) laut zu deklamieren:»LET us go then, you and I, when the evening is spread out against the sky...«, aber in dieser Abteilung war man gewohnt, daß mild wahnsinnige die Büros bevölkerten, über so etwas verlor keiner auch nur ein Wort.
Die Leiche schrieb am 30.5. 2011 um 07:13:40 Uhr zu
Bewertung: 2 Punkt(e)
Schömberg betrat den Sitzungssaal mit Herzklopfen. Über zwei Stunden hatte er auf dem beängstigenden Flur des Justizzentrums warten müssen. Zu gerne wäre er mal vor die Tür gegangen, eine Zigarette rauchen - aber er hatte sich nicht getraut. Als er aufgerufen wurde, war er einerseits erleichtert, daß es endlich losgehen würde, andererseits verspürte er einen Kloß im Hals und wie seine Handflächen feucht wurden. Links saß Berresheim mit seinem Verteidiger, daneben eine elegante, sonnenbanksgebräunte Frau Anfang Dreissig, rechts der Staatsanwalt, den Schömberg schon von seiner ersten Vernehmung her kannte. Der Vorsitzende, ein älterer, distinguiert wirkender Herr, hieß ihn Platz nehmen, und begann, ihn zu befragen. Sehr ausführlich widmete er sich Schömbergs Krankheit, seinen Lebensumständen. Das verwirrte Schömberg - das Ziel, den Zeugen »aufzulockern« wurde jedenfalls in diesem Falle verfehlt. Schömberg sah dem Vorsitzenden fest in die Augen. Er hatte sich dagegen vorgenommen, Berresheim nicht in die Augen zu sehen. Er war, das hatte Schömberg zu Beginn der Verhandlung mitbekommen, in Handschellen aus der Untersuchungshaft vorgeführt worden. Berresheim war so blöd gewesen, nach der Hausdurchsuchung bei ihm in die Schweiz zu fahren, und das Ticket von Zürich nach Sidney von seinem Reisebüro um die Ecke zu buchen.
Die Leiche schrieb am 23.5. 2011 um 09:30:25 Uhr zu
Bewertung: 3 Punkt(e)
Schömberg saß am Computer. Dauerhaft arbeitsunfähig krank, auf den Abschluß des endlosen Rentenverfahrens wartend, in einer kleinen Sozialwohnung anstelle des kompfortabelen Einfamilienhauses, daß er mit seiner Exfamilie bewohnt hatte - und klickte sich durchs internet. Er klickte sich zuerst nur spätabends und nachts durch die Sexseiten, dann auch schon am nachmittag und frühmorgens. Und irgendwann fuhr er mit der Regionalbahn in die nächste Kreisstadt, wo es einen Elektronik-Handel gab, und erwarb eine webcam. Er fühlte sich sehr merkwürdig dabei, wie früher, als er in der Videothek nach Pornofilmen schaute. Er meinte, jeder würde ihn ansehen und sich sein Teil über ihn denken. Schömbergs Hände zitterten leicht, als er an die Kasse trat. Doch der schon ergraute Herr an der Kasse benahm sich mit gelangweilter Routine. Schömberg war dankbar dafür. Er konnte es sich einfach nicht vorstellen, daß es im 21. Jahrhundert ausgesprochen normal war, eine webcam zu kaufen. Selbst die damit verbundene Anzüglichkeit war ja mittlerweile normal.
Die Leiche schrieb am 16.5. 2011 um 16:52:53 Uhr zu
Bewertung: 3 Punkt(e)
Als Schömbergs Provisionskonto aus den Insidergeschäften mit Berresheim die 70.000 Euro überschritten hatte, bekam er Besuch von seinem Sohn Lars, der kurz vor seinem 18. Geburtstag stand. Er druckste ein wenig herum, entschuldigte sich vielmals, daß er seinen Vater solange nicht besucht hätte, versprach öfters zu kommen, beim Einkaufen und Saubermachen zu helfen. Schömberg erinnerte sich mit gelindem Ekel an den Besuch seiner Tochter und schwieg dazu. Er bemerkte aber, daß dem Jungen etwas auf dem Herzen lag. »Na Lars, was ist los?« Wortlos nahm Lars aus seiner Lederjacke einen gelben Briefumschlag. Die »Öffentliche Zustellung« enthielt eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft zum Jugendschöffengericht - wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht unerheblichen Mengen. »Soso.« sagte Schömberg und kämpfte mit seiner sozialethischen Verpflichtung zu Schuldvorwürfen einerseits, und seinem Bewußtsein von dem von ihm betriebenen Insidergeschäften andererseits. »Du brauchst wohl einen guten Anwalt ?« Lars hob den Kopf und sah Schömberg lange und warmherzig an. »Hilfst Du mir ?« Schömberg griff zu seinem Adressbuch. Er liebte diese altmodischen Fächerhäfte, und schlug ganz vorne beim ersten Buchstaben auf - »A« wie Anwälte. »Mal schaun, ob bei Dr. Brinkmann noch jemand im Büro ist ... was sagt eigentlich Mama dazu?« - Lars drehte den Kopf zur Seite. »Ach!« sagte er, mehr nicht. Das Büro von Dr. Brinkrmann & Kollegen war noch besetzt, und Lars Schömberg bekam auch gleich einen Termin.
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