Nussbaum
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Kindertragödie
Der Frühlingsabend sanft und milde
zieht auch in Kinderherzen ein.
Ein Junge träumt von einem Bilde
und möcht' mit ihm zusammen sein.
Ein Mädchen sehnt sich jetzt nach Liebe
am Himmel flimmert schon ein Stern.
Sie hofft, daß endlich einer käme:
Sie hat die ganze Bande gern...
Der Mond lockt beide auf die Wiese –
Der Junge sieht das Mädchen nicht.
Er taumelt fast in ihre Arme,
die Nebel streicheln sein Gesicht.
"Komm doch her! Unterm Busch,
hab mich lieb, du...Kuschi–kusch!"
Als sie seinen Leib umfasste,
ach, wie tief er da erblasste!
Einen Kuss hat er probiert
und dann war er deprimiert.
»Bleib doch hier, unterm Busch!«
»Nein, ich will nicht... Kuschi–kusch.«
Kam der andre angegangen,
hat sie beide fest umfangen.
Stellt euch vor, was da passiert:
Der andre hat ihn fasziniert.
Er spürte Bewegung,
er fühlte Erregung,
ein heimliches Gruseln,
ein zärtliches Schmusen –
immer, wenn der andre ihn berührt...
"Hab dich lieb, immerzu,
Blumen flüstern's: Du, nur du!"
Das Mädchen konnt es nicht ertragen,
böse fing sie an zu fragen,
laut hat sie den Kleinen dann blamiert:
"Habt euch lieb, kuschi–kusch,
Blätter rascheln unterm Busch!"
Im Hinterhof unter dem Nussbaum
hat sich der Junge erhängt.
Das Mädchen tanzt im schwarzen Kleid;
weinend der andre den Toten umfängt.
"Bleib bei dir, deck dich zu,
Regen fällt, Fenster zu."
Blandine Ebinger