Nazizeit

Die Nazizeit ist historisch im engeren Sinne in Deutschland etwa der Zeitraum zwischen 1930 und 1965, soweit es (seit 1949) das Territorium der Bonner Republik betrifft.

Die letzten Jahre vor 1933 waren bereits stark vom Terror der Nazis u.a. auf der Straße und in den Zeitungen, d.h. schon vor der legalisierten Machtübernahme von ihnen geprägt; die Jahre nach 1945 waren und wurden in der BRD seit 1949 weiterhin in umfassender Form von der großen Mehrheit der weiterhin tief den Nazi - Vorstellungen verhafteten Weiterlebenden bestimmt.

Diese, später geborenen Deutschen oft völlig unverständliche oder dramatisch übertrieben klingende Tatsache ist umfassend, kurz & bündig und nie besser ausgedrückt worden in dem DokFilm - Titel »Der Führer ging, die Nazis blieben«.
Bezeichnenderweise gibt es jedoch erst seit ganz wenigen Jahren peu-à-peu ein bisschen Literatur darüber.

Zwei mich selber betreffende Erfahrungen in diesen Jahren in Westberlin: bis Mitte der Sechziger hatte ich ausschließlich (!) alte Nazis oder von Nazis ausgebildete, hoch aggressiv autoritäre Personen als Lehrer; und
2) wurde mein schwules Coming Out von dem von den Nazis extrem verschärften Anti-Schwulen - § 175 nicht nur überschattet, sondern komplett verschwärzt - jenem §, der vom westdeutschen Bundesverfassungsgericht Mitte der Fünfziger Jahre in der verschärften Nazi-Fassung ausdrücklich als Gut & Richtig, d.h. als geltendes Recht bestätigt wurde. Wofür sich bis zum heutigen Tage, einschließlich der liberalen Justizminister|innen seitdem, niemand entschuldigt hat.

Ich bin deshalb so wütend, weil nicht nur das Leben meiner Eltern während der Kern - Nazizeit und im nazideutschen Krieg entscheidend beschädigt wurde, incl. der Folgen für mich (ungeachtet dessen, dass auch meine Eltern nicht nur Opfer, sondern zumindest ihrem Bewusstsein nach auch potenzielle Täter waren), sondern weil auch meine eigene Entwicklung massiv vom Fortbestehen der (Kern -) Nazizeit nach 1945 bestimmt wurde.

Wer auch heute wieder in solch einer Nazizeit leben möchte, dem empfehle ich, sich eine schöne Diktatur zu suchen; verglichen mit der Nazizeit ist Deutschland heute ein Eldorado an Freiheit, und es ist jedes Engagements wert, die jetzige deutsche Demokratie zu schützen und zu verteidigen, wenn es nötig werden sollte.
(Es müsste nur nicht gerade durch einen Innenminister Schily sein, seufz, der die Freiheit auf seine Weise gefährdet.)

Auch unsere Generation hat ihre »Nazizeit«; das Codewort lautet: »zu DDR-Zeiten«. Bei Wessi-Ossi-Kontakten mit Ossis, die »zu DDR-Zeiten« schon im erwachsenen Alter gewesen waren, also diejenigen, die heute etwa ab 40 Jahren alt sind, kommt dies ebenso notorisch aufs Tapet, wie die »Nazizeit« bei denen, die sie miterlebt haben: eine unbewältigte Vergangenheit, deren Verdrängung so weit reicht, daß die Ossis sich teilweise sogar wieder von ihren ehemaligen Kerkermeistern regieren lassen: Auch in der »Nazizeit« war nicht alles schlecht gewesen (zumindest die Autobahnen hatte der Führer ja gebaut, nichtwa?), und »es war ja auch nicht alles schlecht an der DDR«, das Ampelmänchen zum Beispiel war viel schöner - von den Kinderkrippen ganz zu schweigen ! (Wobei sich insbesondere für linksorientierte Gutmenschen eine Steilvorlage zum Vergleich zwischen den ökologisch inkorrekten Autobahnen, und den heute so bitter benötigten »guten« sozialen Kinderkrippen anbietet.)

Natürlich könnte ich schon um vier Uhr morgens den Tag (vielleicht gar mit Frühsport) beginnen, aber zu so einer Nazizeit steh ich doch nicht auf.