MännergegendasPatriarchat
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In den Diskussionen über geschlechterdifferente Fragen und Problemstellungen wird in geradezu inflationärer Art und Weise der Begriff Patriarchat diskutiert. Die Fragen der Frauenunterdrückung, der männerbündischen Gesellschaftsorganisation, der Geschlechteridentität usw. werden in der Diskussion unter diesem Begriff subsummiert. Auch in der aktuellen Triple-opression-Debatte (Versuch der Erstellung einer kohärenten ökonomischen, emanzipatorisch und antirassistischen Gesellschaftstheorie) ist noch immer nur von einem Patriarchat, aber kaum von einem Androzentrismus die Rede. Daß dieser Begriff Patriarchat jedoch zur Erklärung der sehr differenzierten Unterdrückungsmechanismen und Hierarchieverhälnisse in der westeuropäischen postindustriellen Gesellschaft nicht ausreicht, wird meines Erachtens noch zu selten erkannt.
Meine Grundthese in diesem Artikel - der erste einer Serie - betrifft den inflationären Gebrauch des Patriarchatbegriffes. Dieser vereinheitlicht meines Erachtens verschiedenste gesellschaftliche Gruppen und Unterschiede hinsichtlich ihrer formellen und informellen Organisationsstrukturen und der damit verbundenen Verhaltensweisen, womit aber verschiedenste Sachverhalte nicht erklärt werden können.
Vor allem - das ist meine zweite Grundthese - wird durch die unzulängliche und undifferenzierte Kritik, die nur patriarchale aber nicht androzentristische Strukturen beschreibt, verhindert, daß emanzipatorische Ansätze real in die Praxis umgesetzt werden.
Die Vatermetapher des Patriarchates
Familiäre Strukturen in der Gesellschaft waren vor der Durchsetzung bürgerlicher Ideen nicht auf Kleinfamilien ausgerichtet. Das Patriarchat stützte sich auf die Existenz von Vaterfiguren, die nicht unbedingt mit dem biologisch definierten Vater übereinstimmen mußten. Die Dominanz der Kleinfamilie wurde erst im 19. Jahrhundert relevant, als die ArbeiterInnenklasse ihr Familienbild am Bürgertum orientierte (vgl. NUTT, Wolfgang, 1991, S. 22). Die landwirtschaftlichen Haus- und Hofgemeinschaften, wo Produktion und Reproduktion noch als Einheit aufzufassen war, wurden abgelöst von einer arbeitsteiligen Gesellschaft, bei der Produktions- und Wohnstätten immer weiter auseinanderlagen. Die Haus- und Hofgemeinschaften waren stark geprägt von einem patriarchalen Bild. Auf unterschiedlichsten Ebenen der gesellschaftlichen Organisation gab es spiegelbildlich zur traditionellen Familienstruktur Gruppen mit religiösem oder politischen Charakter, die sich an dieser patriarchalen Struktur orientierten, welche sich auch noch bis heute in den europäischen Gesellschaften gehalten haben. Parallel dazu gab es allerdings ausgehend von den christlichen Klöstern schon androzentrische (oder auch fratriarchale) Ansätze; z.B. bei den Franziskaner in ihrer Gründungsphase. Auf diesen Aspekt werde ich bei der Beschreibung der Brudermetapher noch genauer eingehen.
Das Wesensmerkmal des Patriarchates läßt sich an einem Vater oder auch Meta-Vater festmachen. Die Väter besetzten die bestimmenden Positionen in den Familienverbänden und waren als solche in der Haus- und Hofgemeinschaft anwesend, wodurch einerseits zwar in der Erziehung Söhne und Töchter ihren Vater erlebt haben, aber andererseits waren durch die väterliche Dominanz im Familienverband die Kinder ebenso wie die Mütter einem sozialen Druck ausgesetzt. Die ökonomisch bedingte Arbeitsteilung war noch nicht so weit gediehen, während eine geschlechtliche Arbeitsteilung schon vorhanden war. Den Frauen wurde auf jeden Fall die Kindererziehung zugewiesen, wobei Erziehung in diesem Zusammenhang nicht im scholastischen und disziplinierenden Sinn zu verstehen ist, da Kinder schon ab dem 6. bis 8. Lebensjahr sich an der Arbeit beteiligt haben. Erziehung ist ein Begriff des Bürgertums und früher einer herrschenden Minderheit.
Im sozialen Gefüge spielten Frauen eine wichtige Rolle zur Aufrechterhaltung des Familienverbandes, waren gegenüber den Männern entrechtet, obwohl diverse ökonomische oder auch gesellschaftliche Freiräume gegeben hat: »Im Gegenteil, die Frauen stellten quantitativ die Mehrheit der Bevölkerung. Sie waren laut, frech, und unbotmäßig, und sie mischten in allen Sekten und Aufstandsbewegungen aktiv mit. Sie stellten ein brodelndes Potential der Revolte, die die geistliche wie die weltliche Macht gleichermaßen bedrohte« (vgl. STROBL, Ingrid, 1993, S. 8).
In staatstragenden Sozietäten war die Frau einerseits Stellvertreterin und andererseits Unterpfand (vgl. LERNER, Gerda,1991, S. 80 ff.). Frauen konnten nur in Ausnahmefällen Politik machen. Mit Frauen wurde vielmehr Politik gemacht. Z.B. wurden Frauen verheiratet, wodurch Familienverbindungen entstanden, die primär diplomatische Bedeutung hatten. »Du glückliches Österreich heirate«, war ein Ausdruck der habsburgisch patriarchalen Politik, wo Ländereien durch geschickte Heiratspolitik erworben wurden. Ansätze hierfür finden wir schon in der antiken griechischen später aber auch in der frühmittelalterlichen Literatur (z.B. das Gudrunlied). Ein Symbol für die politische Unterordnung der Frau stellt eindeutig die Unterwerfung der isländischen Brunhilde im Nibelungenlied dar. Der getarnte Siegfried unterstützt in brüderlicher Manier den König Gunther beim Kampf gegen Brunhilde. Die Unterwerfung wird stark sexualisiert, denn erst in ihrer Kemenate bricht Siegfried endgültig ihren Widerstandsgeist. Ihre Weiblichkeit wird reduziert auf ihre Reproduktionsfähigkeit. Sie übernimmt politisch nur noch die Rolle als Stellvertreterin, in der sie ihre Rache durch Intrigen vorbereitet, worin sich eine männlich-androzentrische Angst manifestiert: Die Angst vor Frauen und ihren politischen Fähigkeiten. Trotz der androzentrischen Ansätze ist die Gesellschaft im Nibelungenlied patriarchal, wenn das Patriarchat auch schon geschwächt erscheint, denn der Patriarch Gunther ist in allen Entscheidungen schwach und von seinen Brüdern abhängig. Es wird hier also nicht nur die Unterwerfung der Frau schon sehr früh angezeigt, sondern auch die Ablösung des Patriarchats durch einen Androzentrismus.
Wie schon angesprochen, wurde die Vaterrolle auch auf Institutionen abstrahiert, wie z.B. in den kirchlichen Strukturen. Durch diese Abstraktion entstanden aber auch schon androzentristische Strukturen. Die großen monotheistischen Religionen, die einen wesentlichen Einfluß auf die westlich-abendländische Kultur ausübten, gründeten sich auf Meta-Väter. Gott selbst wird als Mann gesehen, der sich sein Ebenbild schuf: Adam. Dieses Bild hat sich bis heute gehalten; mensch denke hier an den Phantastischen Realisten Rudolf Hausner, der seine narzistischen Selbstportraits Adam nannte und dieses vielfach in verschiedensten Formen reproduzierte, womit er ein Symbol des Menschen an-sich schuf. Dieser Mensch an-sich ist natürlich ein Mann. Hausner stellt sich somit in eine frauenausgrenzende patriarchale Tradition, wo der Mann als der Mensch gesehen wird.
Das Alte Testament, auf das sich in unterschiedlichster Form drei Religionen berufen, ist eine Geschichte der Väter: Adam zeugte, Noah zeugte, Isaak zeugte usw. Diese echten Väter waren auch eine Metapher für den Vater Gott und so auch eine für den Meta-Vater in der gesellschaftlichen Organisation. Diese Meta-Väter haben sich bis heute in politischen Gruppen gehalten. In Österreich werden diese Meta-Väter in der Kirche durch Bischöfe, Kardinäle, Pfarrer, Äbte usw. repräsentiert. Die politischen Funktionen wie Bundeskanzler oder Bundespräsident entsprechen ebfalls solchen Vaterfiguren. Die politischen Führungsfunktionen im Staat spiegeln zudem die neue Vaterrolle wieder, die durch die Ablösung der Familienverbände durch die Kleinfamilie entstanden ist. Der abstrakte Vater, der ein politischer ist, wird in einen stärkeren Zusammenhang zum realen Vater gebracht. Dieser Effekt basiert auf einer Dialektik zwischen Androzentrismus und Patriarchat. Es sollen einerseits durch ein Aufbegehren gegen den Vater und andererseits durch eine Identifikation mit dem Vater neue politische Verhältnisse geschaffen werden, die aber wieder in eine patriarchale Struktur rekursieren. Gleichzeitig verschwinden die realen Väter in den realen Kleinfamilien durch die androzentrischen Zentifugalkräfte, die sich einerseits auf kapitalistische arbeitsteilige Strukturen gründen; andererseits werden diese metaphernhaft durch abstrahierte aber auch reale Vater-Sohn-Konflikte ausgelöst.
Die Meta-Väter bleiben also weiter existent, während die realen immer mehr verschwinden. Sandra Harding beschrieb in ihrer Femministischen Wissenschaftstheorie, daß Männer ihre Anerkennung im Öffentlichen Leben suchen, sich als, wie ich es in diesem Kontext beschreiben würde, Meta-Väter in androzentrischen Strukturen betätigen. Als reale Väter sind sie jedoch Versagende. Ihr Anteil an der Kinderbetreuung oder an der Hausarbeit ist dementsprechend gering. In ländlichen Strukturen ist z.T. der reale Vater noch vorhanden aber in seiner traditionellen, patriarchalen und reaktionären Rolle.
Emanzipatorische Väter, die sich nicht als das Oberhaupt der Familie betrachten und doch einen gleichen Anteil an der Erziehung und an der Hausarbeit übernehmen sind spärlichst gesät; auch in sogenannten alternativen Lebensgemeinschaften.