Herrgottsschnitzer
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Das Berufsbild des Herrgottsschnitzers ist so unbekannt wie interessant. Eigentlich als klassischer Männerberuf geplant, wurde er im Laufe der (christlichen) Menschheitsgeschichte nur von einer Person überhaupt ausgeübt; dabei handelte es sich um eine Frau, eine gewisse Maria aus Nazareth, später auch »Heilige Mutter Gottes« genannt.
Ihr Mann Josef, seines Zeichens Zimmermann udn somit mit dem Werkstoff Holz vertraut, war vom pilatischen Arbeitsamt eigentlich zu einer Qualifizierungsmaßnahme eben zum Herrgottsschnitzer verdonnert worden. Weil er jedoch am Vorabend des ersten Unterrichtstages so was von gesoffen hatte, dass er überhaupt nicht aus dem (vollgekotzten) Bett kam, ging Maria hin, mit einem falschen Bart (damit dem Josef nicht das Arbeitslosengeld gestrichen wurde).
Maria hatte geschickte Hände und war als einzige Teilnehmerin des vermeintlich so zukunftsorientierten Lehrgangs auch zugleich die erfolgreichste (und letzte). Als Fallstudie machte sich sich daran, aus einem Stück Holz ihren ersten Herrgott zu schnitzen. Ursprünglich wollte sie ihn Pinocchio nennen, fürchtete dann aber, dass niemand den Namen richtig schreiben würde. Schließlich entschied sie sich für den Namen »Jesus«, den fand sie recht griffig und zeitlos.
Natürlich war es dem Sachbearbeiter furchtbar unangenehm, als er hinter die Sache kam. Er ließ durch Pilatus erwirken, dass niemand mehr den Beruf des Herrgottschnitzers erlernen oder ausüben solle. Stattdessen verbreitete er eine Geschichte, die bewusst so abtrus und bekloppt gehalten war, dass sie große Chancen hatte, sich in der (christlichen) Welt durchzusetzen.
Und er sollte Recht behalten: Noch heute glauben Millionen an die Geschichte der unbefleckten Empfängnis.