Hausflur
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Hausmeister: »Sie putzen den Hausflur aber sehr ungründlich.«
Hausinsasse: »Das ist nicht möglich.«
Hausmeister: »Doch! Sehen Sie hier. Ich fahre mit dem Finger über diesen Treppenstufenwinkel und er ist grau.«
Hausinsasse: »Der war doch schon vorher grau.«
Hausmeister: »Na gut. Sehen Sie diesen Finger? Er ist offensichtlich sauber. Nun streiche ich über das Geländer! Sehen Sie! Nun ist er grau.«
Hausinsasse: »Das ist aber theoretisch ausgeschlossen.«
Hausmeister: »Sie sehen es doch mit eigenen Augen!«
Hausinsasse: »Ich kann Ihnen das aber widerlegen. Ich verwende nämlich ausschließlich professionelle Putzmaterialien. Sehen Sie zum Beispiel diesen Schrubber. Er ist grün und aus stabilem Kunststoff gefertigt. An seinem unteren Ende befindet sich ein langgestreckter Kopf mit ausgezeichneten Borsten.«
Hausmeister: »Ein Kopf?«
Hausinsasse: »Ja, genau! Ein Kopf! Während ich putze, verstärke ich die Wirkung mit Hilfe eines aus Fasern geflochtenen Lappens. Ja, ich setze sogar selbst gezapftes Wasser ein, mit dem ich den Lappen befeuchte.«
Hausmeister: »Befeuchten?«
Hausinsasse: »Ja, genau! Befeuchten! Das Wasser fülle ich in einen Eimer und versetze es mit einem Mittel aus dem Hause Henkel.«
Hausmeister: »Henkel?«
Hausinsasse: »Ja, genau! Henkel! Henkel ist an der Börse notiert und wendet sogar Chemie an. Den Lappen wickele ich beidseitig um den borstenbestandenen Kopf des Schrubbers und zwirbel ihn einmal um das Ende des Schrubberstiels.«
Hausmeister: »Zwirbeln?«
Hausinsasse: »Ja, genau! Zwirbeln! Ich wische ausschließlich, indem ich einen leichten Druck auf den Schrubber ausübe. Dabei bewege ich den Lappen in beinahe allen vier Himmelsrichtungen hin und her. In Gedanken habe ich schon im Vorfeld den gesamten Hausflur in ein Schachbrettmuster eingeteilt, das ich sukzessiv abarbeite.«
Hausmeister: »Sukzessiv?«
Hausinsasse: »Ja, genau! Sukzessiv! Dabei bewege ich mich selbst mit meinem ganzen Körper hin und her und mache keine unnötigen Geräusche.«
Hausmeister: »Geräusche?«
Hausinsasse: »Nein, eben keine Geräusche! Sie sehen also, es ist theoretisch unmöglich, dass an Ihnen Schmutz haften bleibt.«
Hausmeister: »Aber mein Finger?«
Hausinsasse: »Sie verstehen nicht allzu viel vom Hausputz, oder?«
Hausmeister: »Mein Finger spricht aber Bände.«
Hausinsasse: »Ihr Finger ist ein Problem.«
Hausmeister: »Meinen Sie?«
Hausinsasse: »Sie brauchen medizinischen Rat.«
Hausmeister: »Wirklich?«
Hausinsasse: »Ja, finden Sie es denn normal, dass er bei der Berührung von Hausflurfußböden, die bewiesenermaßen sauber sind, grau wird?«
Hausmeister: »Vielleicht eine Allergie?«
Hausinsasse: »Nein, Sie können doch nicht von Dingen, an denen nichts ist, eine Allergie bekommen?«
Hausmeister: »Meinen Sie, es ist etwas Schlimmeres?«
Hausinsasse: »Ich verstehe von Medizin nicht halb soviel wie vom Putz eines Hausflurs, aber an Ihrer Stelle würde ich die Sache ernst nehmen.«
Hausmeister: »Ja, Sie haben recht. Ich werde so bald als möglich einen Termin beim Hausarzt machen. Vielleicht ist es etwas Unbekanntes.«
Hausinsasse: »Er wird Sie sicherlich zu einem Spezialisten überweisen können.«
Hausmeister: »Vielleicht gibt es noch Hoffnung. Bis auf Weiteres werde ich den Hausflurboden besser nicht mehr anrühren.«
Hausinsasse: »Ich glaube, das ist eine sehr kluge Entscheidung.«