® schrieb am 14.3. 2011 um 04:54:06 Uhr zu
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»Keiner weiß, wie es in den Reaktordruckbehältern aussieht«
Japanischer Ingenieur erklärt Details der Havarien im AKW Fukushima
Das japanische Citizen's Nuclear Information Center (CNIC) hat am Sonntag in Tokio eine Pressekonferenz durchgeführt, von der ein Live-Mitschnitt im Internet angeschaut werden kann. Allerdings ist dieser durch die Übersetzung aus dem Japanischen ins Englische etwas langatmig und die Aufnahme mehr als eineinhalb Stunden lang.
Hauptsprecher war Masahi Goto, ein ehemaliger Toshiba-Ingenieur, der an der Konstruktion der Reaktordruck- oder der Sicherheitsbehälter oder auch an beidem beteiligt war. Leider scheint der Übersetzerin der Unterschied nicht ganz klar zu sein. Der Sicherheitsbehälter, auch Contaiment genannt, ist eine äußere Schutzhülle um den stählernen Druckbehälter.
Goto spricht davon, dass das AKW Fukushima I nicht für ein Erdbeben dieser Größenordnung ausgelegt sei. Allerdings sei es nicht unbedingt eine Frage des Alters - in Fukushima I gingen alle Reaktoren in den 1970ern ans Netz. Auch in jüngeren AKW könne es bei solchen Erdbeben Probleme geben.
Nach seinen Aussagen habe es für den Reaktor 1, den es bisher am schlimmsten erwischt hat, zwei Dieselnotstromaggregate gegeben. Der konkrete Grund des Ausfalls ist bisher nicht ganz klar. Goto spricht von beschädigten Tanks und anderen Infrastruktureinrichtungen. Es gebe aber nicht genug Informationen, wie er wiederholt beklagt. Auch die Reaktoren 2 und 3 seien noch nicht unter Kontrolle. Dort sind ebenfalls Nostromaggregate ausgefallen.
Durch den vollständigen Ausfall der Stromversorgung, also sowohl Netz, Eigenproduktion als auch Dieselgeneratoren, können die Brennstäbe im Reaktorkern nicht mehr gekühlt werden. Das ist aber auch nach Unterbrechnug der Kettenreaktion nötig, um die erhebliche Restwärme abzuführen.
Geschieht das nicht, so steigt zunächst im Reaktordruckbehälter der Dampfdruck immer weiter. Goto denkt, dass es in dieser Situation gerechtfertigt war, einen Teil des Dampfes abzulassen, wie es in Fukushima I.1 geschehen ist und bei einigen anderen Reaktoren vermutlich noch geschehen wird. Dadurch wird zwar Radioaktivität in die Umwelt entlassen, zugleich aber eine Explosion von Druckbehälter und Containment vermieden.
Es sei beim Reaktor 1 bereits das 1,5fache des zulässigen Drucks erreicht gewesen. Durch das Verdampfen des Wassers seien die Brennstäbe teilweise freigelegt worden und hätten nach Gotos Ansicht bereits angefangen zu schmelzen. Daher habe man sich entschlossen Meerwasser in den Druckbehälter und schließlich auch ins Containment zu pumpen.
Durch den Einsatz des Meerwassers sei klar, dass der Reaktor künftig nicht mehr zu nutzen sein wird. Welche negativen Folgen darüber hinaus das Salzwasser haben könnte, sei ihm nicht klar. Allerdings müsse auch künftig Dampf und Wärme abgeführt werden, weil es andernfalls zu schweren Wasserdampf oder auch Wasserstoffexplosionen kommen könne. Dadurch könnten große Mengen radioaktives Material freigesetzt werden.
In mindestens einem der Problemreaktoren, nämlich in Fukushima I.3, sind Mischoxid-Brennstäbe im Einsatz. Das heißt, dort besteht die Gefahr, dass besonders viel Plutonium freigesetzt werden könnte. Dieses hat nicht nur eine hohe Halbwertzeit, sondern ist auch im chemischen Sinne besonders giftig.
Goto sieht für den Augenblick aufgrund der eingeleiteten Maßnahmen keine akute Gefahr. Wenn jedoch die Kühlung an einem oder mehreren Reaktoren ganz versagt, dann könne »etwas sehr Schlimmes« geschehen und Radioaktivität sehr weit verbreitet werden.
Was den Reaktor Fukushima I.1 angeht, so seien bei der Wasserstoffexplosion am Samstag Reaktordruck- und Sicherheitsbehälter nicht beschädigt worden. Wo der Wasserstoff herkam, sei ihm nicht klar, eine der Möglichkeiten sei entwichener Wasserstoff aus dem Kühlsystem der Turbine. Aber auch dass die Explosion eine Folge des abgelassenen Dampfes war, konnte er nicht ausschließen.
Offensichtlich kann sich die gegenwärtige Lage noch einige Tage oder länger hinziehen. Keiner wisse, so Goto, wie es in den Reaktordruckbehältern aussehe. Große Sorge mache ihm die Tatsache, dass jeweils mehrere Reaktoren zusammen stehen.
Wolfgang Pomrehn14.03.2011