Erotische-Anregung-durch-Schmerzen

Liturgie vom Samstagabend

Herr steh mir bei heut Nacht, denn ich will ficken gehen.
Meine schwersten Schuhe will ich tragen, Herr,
Will mich hingeben im Schmerz, blutige Liebe weinen.
Gott, Fleisch will ich sein.
Hingegeben noch den letzten Peinigern soll mich dein Schweiß kühlen.

Du weißt es vom Holz und vom Eisen: Wir müssen verwandelt werden.
Müssen auffahren in den Leib, einwärts in die Lenden des Paraklets,
alle Märtyrer umfassen heute Nacht, bereitet ist der Tisch,
Speiset alle von mir, lass dich trinken, mein lieber Herr,
Gebrochen Brot will ich sein, es schneid't kein Messer als die Lieb.

Er wird seine Ketten ablegen und sie dir angürten,
wandelnd im nächtlichen Park unter Totenblumen
wirst du ihn schauen, im haarigen Fleisch verherrlicht,
denn Öffnung bleibt, wo die Liebe verdunkelt wird,
meine Passion heute Nacht, steht mir bei, ihr Herren.

Ich gedenke deiner im Vergessen, du bist umfangen in meiner Umfangenheit,
Dort im Schatten des Ölbergs wachen die hungrigen Jünger,
schwer hallen meine Schritte durch die Nacht,
Herr, wenn das die Stunde ist, dann laß sie alles sein.
Wie gerne küsste ich dein Kreuz zuschanden.

Du weißt es: Wir müssen verwandelt werden.
Eins werden in der Haut des dampfenden Viehs,
ich habe dich gesucht im Rauche und im Wein,
dein Zeichen auf gefliesten Wänden habe ich gesucht
doch heute nacht, Herr, will ich mich finden lassen.

Schön. Morgen wird mal wieder der 1. Mai gefeiert werden. Aber diesmal nicht in Berlin. Neijen!! Wenn morgen die NPD durch Leipzig-Connewitz zieht, kracht's richtig im Karton. Mir ist das ja alles egal, aber dass Leipzig rulet, war ja seit dem unseligen Jahr 1990 nur mehr eine Frage der Zeit gewesen. So wird es sich morgen also abzeichnen. Weswegen morgen der hamburger Klippschüler Christian Worch seine Prügelidioten kuhherdengleich ausgerechnet durch das politisch linkeste Viertel in Leipzig treiben will, bleibt wohl im Unklaren und kann eigentlich nur seiner lokalen Desinformation geschuldet sein. Ich hätte das anders organisiert beziehungsweise gar nicht organisiert. Aber vielleicht trifft ihn endlich diesmal ein locker aus dem Handgelenk geschwungenes Sägeblatt, das ist nämlich lautlos und effektiv und man kann hinterher, wenn Herr Worch flennend im Krankenhaus seinen Schädelbasisbruch behandeln lässt, wieder zurück ans Völkerschlachtdenkmal, um den whole car mit dem Schriftzug »Spast!« fertig zu sprühen.

[...]

Ach die Piraten, die Piraten!
Drang zur Gesetzlosigkeit im Verein mit Wildheit,
Drang zum unbedingt Grausamen und Abscheulichen,
die wie abstrakte Brunst an unseren schmächtigen Leibern nagt,
an unseren weiblich verzärtelten Nerven,
Tollheitsfieber in unsere leeren Blicke treibt.

Zwingt mich, vor euch auf die Knie zu fallen!
Demütigt mich und schlagt mich!
Macht aus mir euren Sklaven und eure Sache!
Und gebt nie eure Verachtung für mich auf,
meine gnädigen Herren, meine gnädigen Herren!

Bei Blutbädern und bei ausgestreckten Lüsten
stets rühmlich den unterlegenen Part einnehmen!
Stürzt über mir ein wie große, wuchtige Mauern,
ihr Barbaren des alten Meers!
Schlitzt mich auf und verletzt mich!
Mustert mein Fleisch mit Blut
vom Osten bis zum Westen meines Leibes!

Küsst mit Bordmessern, Peitschen und Wüten
mein lustvolles fleischliches Entsetzen, euch zu gehören,
meinen masochistischen Drang, mich eurem Rasen zu überlassen,
träger, fühlender Gegenstand eurer allverschlingenden Grausamkeit zu sein,
ihr Beherrscher, Herren, Kaiser, Schlachtrosse!
Ach foltert,
zerschlitzt und zerreißt mich!
In bewußte Teile zerfetzt,
streut mich über die Decks,
schüttet mich in die Meere, lasst mich
auf gierigen Inselstränden zurück!

Stillt auf mir meinen ganzen mystischen Durst nach euch!
Meißelt mit Blut meine Seele!
Schneidet und tilgt!
O Tätowierer meiner leiblichen Phantasie!
Geliebte Schinder meiner fleischlichen Unterwerfung!
Unterjocht mich, wie jemand einen Hund mit Tritten tötet!
Macht mich zum Brunnen eurer herrscherlichen Verachtung!

Macht mich zu all euren Opfern!
Wie Christus für alle Menschen litt, will ich
für all eure Opfer unter euren Händen leiden,
unter euren schwieligen, blutigen Händen mit Stummelfingern
beim jähen Entern der Reling!
Macht aus mir, was ihr wollt, als würd' ich —
o Lust, verzückter Schmerz — geschleift,
am Schwanz von euch gepeitschter Pferde fortgeschleift ...
Aber dies alles auf See, dies alles auf See, dies alles auf See!
Ohe-e-e-e-e-e-e-e-e! Ohe-e-e-e-e-e-e-e-e! AUF SEE!

[...]


Álvaro de Campos [Fernando Pessoa], Meeres-Ode