Biomechanik
Bewertung: 1 Punkt(e)Bei unseren letzten Opern- und Theaterbesuchen ging es auf der Bühne hoch her: Im Don Giovanni gab es in einer Tour Sex im Beichtstuhl, Tür auf, Tür zu, fast wie im Boulevardtheater, Macbeth wurde von fünf nackten Männern gespielt, die sich brüllend mit Kunstblut und halbflüssiger Mousse au chocolat beschütteten, und gestern in Mahagonny platzten hypertrophierte Holzfäller nach dem Oralverkehr in ihren eigenen Ausscheidungen. Ich finde so etwas amüsant, vor allem bei den Opern überbrückt es die Langeweile, die der meist arg zersungene Fortgang der Handlung so mit sich bringt. Besonders provokativ oder modern ist das aber alles rund 40 Jahre nach Living Theatre und Zadeks Agit-Musicals nicht mehr, anders als bei Computern und Filmen ist den Darstellern hier auch eine natürliche Grenze auferlegt, genau wie Ballerinas, die zwar elegant kreiseln, hüpfen und springen mögen, jedoch nach Bruchteilen von Sekunden unweigerlich landen müssen, das ist eben Natur, über uns der gestirnte Himmel und die Gesetze der Biomechanik. Deswegen bin ich gespannt auf die Fortschritte, die die Robotik in den nächsten Jahrzehnten so nehmen wird - irgendwann werden die großen Häuser von Robotern bespielt werden, die sich wie Yul Brynner in 'Westworld' die atemberaubendsten, aller Physik spottenden Duelle liefern werden und dabei noch den Osterspaziergang in fünf Sprachen gleichzeitig runterbeten können. Franz Moor und die Matrix... Und die menschlichen Schauspieler? Die können endlich ihre müden Knochen schonen und skandinavische Kriminalromane als Hörbuch einlesen. Davon gibt es schließlich mehr als genug, die werden offenbar heute schon von Robotern geschrieben.