Becker
Bewertung: 4 Punkt(e)So hieß der Erdkundelehrer, der mich in den beiden ersten Klassen des Gymnasiums unterrichtet hat: Ein Musterexemplar spezialdemokratischer Lehrerschaft der mittsiebziger Jahre. Was hat er uns gelangweilt mit seinen Vorträgen über den Kupferabbau in Tansania und den Hirseanbau in Peru, während ich bis heute nicht genau zu sagen vermag, wo genau denn das Friaul, die Alpen oder das Markgräfler Land liegen (nun, das ist aber auch alles vermutlich gleich unwichtig für das Fortkommen und zur Not gibt es ja inzwischen Google Earth). Da er zudem die Angewohnheit hatte, das uns eingetrichterte Wissen alle paar Wochen durch unangekündigte Testarbeiten abzufragen, hat ihn die ganze Klasse gehasst. Die ganze Klasse? Nein, ich nicht, denn zum einen konnte er zuweilen, einer der klassisch verhinderten Kabarettisten, wie sie die Zuschauerreihen der Lach- und Schießgesellschaft wie eben auch die Lehrerzimmer der Gymnasien zu füllen pflegen, unvermutete Ansätze echten Humors zeitigen und vor allem war er dick und bärtig. Da ich zu dieser Zeit geschlechtlich noch nicht erweckt war - dies geschah etwa ein Jahr später, als wir die etwas farblose Frau Eekhoff vorgesetzt bekamen - ist mir meine ungeteilte wie unerwiderte Sympathie für Herrn Becker Indiz dafür, dass nicht nur geschlechtliche Prägungen im Allgemeinen, sondern auch Typfixierungen bereits zu einem Zeitpunkt im Menschen angelegt sind, wo er noch das Recht hat, von den adorierten Personen in Ruhe gelassen zu werden.