Bauchwassersucht
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Fall einer Bauchwassersucht, wo das Wasser durch die Mutterscheide abgezapft wurde. Von Henry Watson, Mitglied der königlichen Societät der Wissenschaften. Vorgelesen den sechsten May 1783.
Die Frau eines Mr. Whitey, von mittlerem Alter und feinem schlaffen Körperbau, die schon verschiedne Kinder gehabt hatte, klagte schon seit dritthalb Jahren über geschwollne Beine, woraus zuletzt eine wahre Bauchwassersucht entstand. Dazu kam noch die Unbequemlichkeit eines Nabelbruchs.
Bey meinem ersten Besuch (im Junius 1777) fand ich ihren Leib äußerst von Wasser ausgedehnt, wovon das Schwappern über dem Nabel sehr deutlich, aber minder deutlich unter ihm war. Denn in dem niedrigeren Theil des Unterleibes fand sich eine sehr beträchtliche weitausgedehnte Verhärtung, welche die Fluctuation undeutlicher machte.
Ihr Leib hieng bis halb an die Lenden herab. Ihr Othem war sehr kurz, und sie brauchte baldige Hülfe. Während dieser Untersuchung fand ich zwischen den Schaamlefzen eine Geschwulst, die sich weit hinterwärts gegen den After erstreckte. Die Ursache hiervon war ein partieller Vorfall der Mutterscheide, die durch den Druck des Wassers herabgeschoben war; denn ich konnte den Vorfall leicht zurückbringen, wenn ich durch sie das Wasser zurückdrückte; sobald ich aber meine Hand wegnahm, stieß das Wasser diesen Teil der Mutterscheide wieder herab.
Unter diesen Umständen entschloß ich mich in Gegenwart des seel. Doctor Cooper, und Hr. Smyth, der ihr Apotheker war, das Wasser durch einen Stich in die Mutterscheide auszulassen, welches mir in diesem Falle der bequemste Ort zur Operation schien.
Ich ließ die Kranke halb stehend sich gegen den Rücken eines Stuhls lehnen, und stieß einen großen Troikart, wie man ihn zur Hydrocele braucht, durch die Mutterscheide. Es flossen vier Gallon eines graulichen Wassers ab, das etwas zähe, aber gar nicht stinkend war. Ein gewöhnliches Quart davon wog dritthalb Pfund, so daß das Gewicht alles abgezapften Wassers 40 Pfund betrug. Eine schwere Last für die arme Kranke. Nachdem sie einige Quart dieser Feuchtigkeit verlohren hatte, ließ ich sie, da sie des Stehens müde ward, auf einen Nachtstuhl sitzen, bis alles ausgelaufen war.
Die Röhre ward in der Wunde gelassen; es kam aber die folgende Nacht wenig Wasser mehr, weil schon fast alles vorhin ausgelaufen war.
Den nächsten Tag fanden wir sie viel besser; sie athmete freyer, und fühlte sich, wie sie sich selbst ausdrückte, sehr erleichtert und wohl. Sie urinierte jetzt auch ganz frey, welches vorhin nicht der Fall gewesen war. Sie bekam zwar etwas Schmerzen im Unterleibe, die aber wieder vergingen nachdem sie zwey oder dreymal zu Stuhl gewesen war. Ihre einzige Klage war über Mattigkeit, weswegen ich ihr die Rinde mit hitzenden stärkenden Mitteln, warme Umschläge, und eine nahrhafte Diät verordnete.
Als ich die Röhre herausnahm, zeigte sich eine leere Wasserblase in der Wunde; da ich diese aber herausziehen wollte, beklagte sich die Kranke ich thäte ihr an den Eingeweiden weh. Deswegen schnitt ich mit der Schere alles ab, was ich aus der Wunde gezogen hatte, welches ein Theil eines ziemlich großen gallertartigen Sacks zu seyn schien; und nun ward sie völlig ruhig.
Ohngeachtet die Menge des abgezapften Wassers so beträchtlich war, so blieb doch der niedrigere Theil des Unterleibes geschwollen und hart. Ich schloß daraus, es möchten wohl noch mehrere Wasserblasen zurück, und vielleicht auch die Leber verhärtet, oder das Netz in einem widernatürlichen Zustande seyn; und der Fall würde tödlich ablaufen.
Vierzehn Tage oder drey Wochen lang fuhr sie immer fort sich zu bessern; ihr Appetit kam wieder, sie ward muntrer, schien wieder mehr Kräfte zu bekommen, und schmeichelte sich mit völliger Genesung. Im folgenden Monat aber (im Julius) bekam sie von neuem Schmerzen in den Eingeweiden, ward Schwach aus Mangel des Appetits, und fieng wieder an Wasser zu sammeln, so daß ich am 17ten August die Operation auf dieselbe Art und an demselben Ort wiederhohlen mußte.
Durch die für sie gehabte Aufmerksamkeit und Sorgfalt, ward vermutlich ihre Krankheit sehr in Schranken gehalten worden, und wahrscheinlicherweise war die flanellene Binde, die sie immer sehr fest um den Leib getragen hatte, Ursache, daß sich ihr Leib so langsam wieder gefüllt hatte. Denn es waren über zwey Monate vergangen, ehe sie wieder so weit kam, daß sie eine zweyte Operation nicht mehr vermeiden konnte.
Die nun ausfließende Feuchtigkeit war von gallicher Farbe, dicker als das erstemal, aber doch nicht so dick um nicht durch die Röhre zu fließen.
Auch diese Operation hielt sie aus ohne ohnmächtig zu werden, war aber sehr schwach nachher. Wir brachten sie so bald als möglich zu Bett, und ich verordnete ihr ein angenehmes stärkendes Mittel, wovon sie von Zeit zu Zeit etwas mit weissem Wein nehmen sollte.
Sie hatte eine schlimme Nacht, nach dieser Operation, wegen heftiger Schmerzen im Unterleibe, und den zweyten Tag nachher bekam sie wieder ihre periodische Blutung. Sie hatte diese zwar immer ziemlich ordentlich gehabt, aber der Abgang war immer sehr blaß und häufig gewesen, hatte aber jedesmal nur eine kurze Zeit gedauert. Sie war nun wieder auf eine kurze Zeit besser, und hielt aus bis in den Monat November, da sie bald gut, bald schlimm war, und sich der Unterleib nur langsam füllte. Endlich nahm ihr Appetit immer mehr und mehr ab, sie ward täglich schwächer, und es ward der Kunst unmöglich ihr Leben länger zu fristen.
Sie starb im November. Dr. Cooper und Hr. Smyth waren bey der Leichenöffnung zugegen, welche zwey Tage nach ihrem Tode vorgenommen ward.
Die ganze Oberfläche der Haut sah ziemlich dunkelgelb aus.
Die Höhle der Brust war sehr verkleinert, weil das Zwerchfell durch das Wasser so hoch hinaufgestoßen war. Die Lungen aber ohngeachtet sie sehr eingeschränkt waren, fand ich doch völlig gesund. In der Brusthöhle war kein Wasser, und nicht mehr als gewöhnlich im Herzbeutel.
Das Herz ausnehmend klein, und ich habe weder vor noch nachher jemals eins gesehn, das so in Fett begraben lag.
Da noch Wasser im Unterleib war, so zapfte ich es durch den Troikart ab. Es betrug doch noch einige Pints und sah gelblich und zähe aus; und einige Stückchen Haut schwammen darin.
Bey Öffnung dieser Höhle fand ich noch mehr von dieser zähen Feuchtigkeit, in den Höhlungen an beiden Seiten der Lendenwirbelbeine und im Becken.
Das Netz war klein, aber sehr dick und fleischig, wie es oft nach Entzündungen zu seyn pflegt; es hieng zum Theil in der Gegend des Nabels am Darmfell, und durch zwey lange Fortsätze am widernatürlich großen Eyerstock an.
Der Magen gesund, aber sehr von Luft ausgedehnt.
Die kleinen Därme fand ich sehr entzündet; und diese Entzündung lief der Länge nach in glänzend rothen Streifen an den Därmen herab, und bildete eine sonderbare Erscheinung. Vermutlich kam diese Entzündung daher, weil sie die letzteren Tage ihres Lebens sehr viel geistiges Getränk getrunken hatte.
Die dicken Därme gar nicht entzündet, aber so wie das Mesenterium und Mesocolon ausnehmend fett.
Die Leber sah allenthalben glänzend gelb aus, und ihre ganze Gestalt war so verändert, daß man gar keinen Unterschied zwischen einem Lobus und dem andern sehen konnte. Sie war sehr dick, länglich rund, mit einem scharfen Rande, der sich in eine runde Erhöhung endigte.
Die Nieren, Milz und Gekrösdrüse traf ich völlig gesund, in Absicht auf Größe sowohl, als Gestalt und Beschaffenheit an. Die Gebärmutter war klein und fest. Der rechte Eyerstock war etwas größer als gewöhnlich, und dunkelgelb; der linke aber in eine große Wasserblase oder Sack mit sehr dicker Haut verwandelt, und enthielt eine gelbe zähe Feuchtigkeit, wie die, welche wir im Unterleibe gefunden hatten. Außerdem war er in Zellen abgetheilt, wovon einige mit einem zähen Schleim angefüllt waren, unterdessen daß andre kleine Wasserblasen enthielten, deren dünne durchscheinende Häute ich mit heller Lymphe, andre aber mit eyterähnlichem mit geronnenem Blut gemischtem Schleim gefüllt fand.
Der wassersüchtige Eyerstock war ohngefähr von der Größe einer ausgedehnten Schweinsblase, und nahm die Höhle des Beckens ein; eine Lage, die er gewiß um die Zeit der Operation noch nicht hatte; denn es war klar, daß der Troikart nie bis in den Sack gedrungen war, und die große durch beyde Operationen abgezapfte Menge Wasser muß in der großen Höhle des Unterleibes selbst enthalten gewesen seyn; jede andre wäre dazu zu klein gewesen.
Der Fall war also complicirt, nemlich eine Bauchwassersucht mit einer cystischen des Eyerstocks.
Kein Theil passt besser, um durch den Stich das im Unterleibe angehäufte Wasser vollkommen auszuleeren, als die Mutterscheide; sie ist der niedrigste, abhängigste der ganzen Bauchhöhle.
Wir mögen bey der gewöhnlichen Art zu Paracentesiren, dem Kranken auch eine Lage geben welche wir wollen; sitzend, oder wie die Franzosen rathen, liegend, oder wie man sonst will, so können wir doch nicht alles Wasser völlig ausleeren, weil der Stich immer ziemlich viel höher, als der niedrigste Theil der Bauchhöhle ist. Bey dieser neuen Methode aber, kann man auch fast den letzten Tropfen abzapfen.
Das Centrum der Mutterscheide ist der bequemste Ort zum Stich; die Blutgefäße sind dort am kleinsten, da die größeren Aeste seitwärts liegen.
Da die Mutterscheide bey dieser Operation nie so gespannt, als eine mit Luft gefüllte Blase ist, so weicht sie leicht vor dem Troikart zurück.
Daher muß man um den Stich geschwind und gut zu machen, zwey oder drey Finger an den Seiten der Mutterscheide hinauf, zum Teil hinter den Sack bringen, und durch einen gelinden Druck das Wasser gleichsam einschließen, und den Sack sspannen; ein Handgriff, der die Einbringung des Troikarts sehr erleichtert.
Dreymal habe ich diese Operation mit dem allerbesten Erfolg gemacht.
Das erstemal war Dr. Denman dabey, dessen Kranke ich durch die Mutterscheide mit einer Lancette operirte, wonach eine würklich beträchtliche Blutung entstand; denn die meisten Wassersüchtigen sind wegen ihres dünnen Bluts und der Erschlaffung ihrer Gefäße sehr zu Blutungen geneigt, und die Vagina ist bekanntlich ein sehr blutreicher Theil. Wenn man aber den runden Troikart braucht, welcher bey weitem am besten zu dieser Operation paßt, so sieht man keine Blutung von irgendeiner Bedeutung, weil die Röhre allenthalben gleich stark auf die Öffnungen der verwundeten Gefäße drückt.
Auch hier, wie bey der gewöhnlichen Art zu operiren, ist es nöthig, ein Handtuch oder Bandage um den Unterleib zu binden, um während, daß das Wasser fließt, einen gelinden Druck zu machen.
Auch nach der Operation muß eine in Brantwein getauchte flanellne Binde angelegt, und die Schaamgegend mit einem dicken warmen wollnen Tuch bedeckt werden, um das Wasser aufzunehmen, was etwa noch nachher ausfließt. Auf die Wunde selbst aber braucht man nichts zu legen.
C. F. Michaelis: Medizinische Beyträge (1785), S. 161-171