Einige überdurchschnittlich positiv bewertete
Assoziationen zu »Abhärtung«
Wolfgang schrieb am 21.10. 2010 um 15:21:44 Uhr zu
Bewertung: 10 Punkt(e)
Jetzt fängt bald der Winter an, und ich erinnere mich was vor nunmehr 50 Jahren geschah.
Ich war nicht doof aber ein fauler Schüler. Vokabeln zu pauken, Grammatik, Gedichte auswendig zu lernen waren nicht mein Ding. In Deutsch und Englisch stand ich zwischen 4 und 5.
Und nun bekamen wir einen neuen Klassenlehrer, der uns 13-jährige genau damit triezte. Zum Glück hatten wir auch Sport bei dem Lehrer, und da war ich gut. Die ersten beiden Klassenarbeiten in Deutsch und Englisch verbaute ich aber gründlich und die mündlichen Leistungen waren ebenso mangelhaft. Wenn ich nicht besser wurde drohten Ostern zwei 5er und damit das Sitzenbleiben. Ich wusste es und meine Eltern wussten es auch!
Nach den Herbstferien hielt der Pauker mich und zwei andere versetzungsgefährdete Klassenkameraden nach Unterrichtsschluss fest. Er drohte uns, was wir ja ahnten, „Konsequenzen“ für unsere Faulheit wenn wir uns nicht auf die Hosenböden setzten. Er meine es ernst, er meine es gut mit uns Faulpelzen, sagte er, und bestellte uns mit unsern Vätern für den nächsten Abend ein.
Zu Hause gab es Ärger und Dresche. Aber mein Vater und ich gingen zu der Aussprache.
Der Lehrer: „Die Jungs brauchen ab sofort Nachhilfe!“ (Ich habe vergessen wie viel Geld er dafür verlangte, aber es war nicht zu viel.) „Aber sie als Väter müssen unterschreiben, dass ich sie verprügeln darf, wenn sie weiterhin faul sind. In der Schule darf ich leider nicht mehr schlagen. Aber Prügel sind die sicherste Methode!
Oder aber sie sorgen selbst für Nachhilfe. Dann brauche ich aber eine Ausgleichs-Eins in einem Fach, damit die Versetzung sicher ist. Für dich (er wies auf einen von uns dreien) sehe ich keine Chance – du bist und bleibst eine Null, auch in Sport. Am besten du gehst ab! Soll ihr Sohn also Nachhilfe haben oder wollen sie ihn von der Schule nehmen?“ Sein Vater unterschrieb die Prügelerlaubnis, er war selbst damit groß geworden.
Zu uns sagte er: „Ihr zwei seid gut in Sport. Ihr könntet bis Ostern ein „Sehr gut“ schaffen!“
Gut war ich ja, aber sehr gut? Mein Kumpel dachte wohl so ähnlich. Wir sahen skeptisch aus. „Ihr seid in der Schule sportlich gut“, wiederholte er Lehrer. Für ein „Sehr gut“ müsst ihr euch in der Freizeit bemühen!“ – Wir verstanden das nicht, und er erklärte: Ihr müsst sehr harte Burschen sein. Kalte Dusche morgens und abends! Kurze Hosen den ganzen Winter durch, auch in den Weihnachtsferien. Auch wenn’s schneit! Für harte Burschen gibt’s eine Note besser in Sport. Oder wollt ihr lieber meinen Rohrstock spüren?“
Das wollten wir nicht. Doch die Idee meine heißgeliebten Lederhosen den ganzen Winter durchtragen zu dürfen reizte mich irgendwie. Ich sah Papa an. Der verprügelte mich zwar gelegentlich, aber der Abhärtungsvorschlag gefiel auch ihm besser. Er sagte „Damit bin ich einverstanden!“
Auf dem Heimweg sagte er: In diesen Lederhosen kannst du im Winter nicht hinausgehen. Die sind ausgewachsen. Du ziehst die Hosen vom kurzen Sonntagsanzug an.“ Die Lederhose war tatsächlich extrem knapp geworden. Mutter war sehr katholisch, und eine ihrer Betschwestern hatte kürzlich gemeint, dass ich darin „unanständig“ aussehe! Die Anzughose mochte ich aber ganz und gar nicht. Außer der Reihe eine neue Lederhose zu kaufen war nicht im Budget. Ich bettelte und zog die Hose zwei Zentimeter nach unten: „Papa, die passt noch. Bitte!“ Er lachte. Und sagte „Meinetwegen.“
Mutter schimpfte, aber es blieb ihr nichts übrig als ihren Segen zu geben. Meine Erziehung war Vaters Sache.
Das Duschen überwachte Papa anfangs persönlich bis ich mich an das eiskalte Wasser gewöhnt hatte.
Der andere Junge entschied sich auch für die kalte Variante. Er wurde mein Freund. Gemeinsam trotzten wir den ganzen Winter hindurch Frost und Schnee mit nackten Oberschenkeln. Morgens auf dem Fahrrad war es echt beschissen. Mit blaugefrorenen Beinen kamen wir in der Schule an und es brauchte lange bis sie wieder durchblutet waren. Die meisten Leute schüttelten die Köpfe, wenn sie uns sahen. Andere bewunderten uns. Wir selbst waren stolz auf uns. Und Papa auch – das war mir wichtig! Ein Oberklassenschüler bimste mit uns und zu Ostern wurden wir ohne Problem in die Untertertia (8. Klasse) versetzt. Ich verdankte es diesem strengen Klassenlehrer, dass ich nun vernünftig genug war um freiwillig das nötigste zu lernen (und im nächsten Winter mit einem „Gut“ im Zeugnis zufrieden zu sein).
mcnep schrieb am 21.2. 2009 um 09:52:00 Uhr zu
Bewertung: 14 Punkt(e)
Irgendjemand sollte endlich mal den Mut haben, auszusprechen, dass das habituelle Tragen von kurzen Lederhosen, wie es bei Jungen bis in die frühen 70er üblich war (in der Eifel, Niederbayern und einigen Seitentälern der Rhön bis weit in die 80er), primär der Faulheit der Mütter geschuldet war, die allen Persilidyllen der Werbewelt zum Trotz doch lieber moncheriefressend auf dem Sofa lungerten, als ihren hyperaktiven Dreckspätzen alle naselang die Beinkleider zu waschen und zu bügeln. Dass die Schlampen dadurch, zumal in Verbindung mit den oftmals brachialen Erziehungs'methoden', die ihre Besamer und sie selbst an den Schutzbefohlenen ausübten, bei einem Gutteil der pädagogischen Opfer sexualneurotische Störungen hervorriefen, war der Mehrheit der dallidallidummen Tachteler egal; schließlich musste die Eichenschrankwand von Quelle noch abbezahlt werden, da waren übermäßige Bekundungen von Lebensfreude ein keinesfalls zu duldendes Störelement im heimeligen Familienlager.
Veronika schrieb am 11.11. 2016 um 12:30:48 Uhr zu
Bewertung: 10 Punkt(e)
Es ist gerade sehr kalt und ich gehe nur dick eingepackt an die frische Luft. Denke ich an meine Schulzeit zurück, fällt mir auf, dass ich damals wohl weniger verfroren war. Zwar zogen wir im kühlen Herbst auch Pulover und Anorak an, bisweilen auch Mütze und Handschuhe, aber solange wie möglich zum Keid oder Rock keine Strumpfhosen. Eigentlich galt bei uns zuhause die Regel, dass wir Mädchen ab 1. November keine Kniestrümpfe mehr anziehen, aber ich konnte meine Mutter davon überzeugen, dass es Anfang November auch nicht unbedingt kälter als Ende Oktober ist. So gab meine Mutter meistens schnell nach und ich stolzierte weiter mit nackten Beinen zur Schule. Wenn es dann wirklich Winter mit Frost und Schnee wurde, zogen wir draußen Strumpfhosen an, aber im Haus wechseltehn wir wieder zu Kniestrümpfem. Wenn wir dann am Nachmittag »mal kurz« rausgingen, ersparten wir uns die Umzieherei. So spielte wir manchmal auch mit nackten Beinen im Schnee. Natürlich war das sehr kalt, aber die Tatsache, dass unsere Freundinnen blaß vor Neid wurden, ließ meine Schwestern und mich die Kälte ertragen. Wir waren gut abgehärtet und da wir nicht krank wurden, ließ unsere Mutter uns gewähren.
Christian schrieb am 11.3. 2010 um 15:39:44 Uhr zu
Bewertung: 8 Punkt(e)
Ein gesundes Mißtrauen gegenüber allen Geschichten, in denen jemand erzählt, er hätte dereinst im Winter kurze Hosen getragen (tragen müssen) ist sicherlich angebracht. Es muß aber nicht zwangsläufig geschwindelt sein. Immerhin gibt es im französischen Riaumont eine Einrichtung für Jungen, halb Schule, halb Pfadfinderdorf, in der die Jungen ganz offensichtlich tatsächlich ganzjährig in kurzen Lederhosen herumlaufen. Als ich erstmals davon las (der Ort Riaumont war nicht erwähnt worden), habe ich das natürlich nicht geglaubt. Bis ich auf diese Seite stieß:
http://www.riaumont.net/
Dort gibt es auch ein Fotoalbum mit entsprechenden Winterbildern:
http://www.riaumont.net/village/activites/albums/neige_photo_album/
Was man davon halten mag, ist ja eine Sache - für mich wäre derjenige, der sich derlei ausgedacht hat, ja eher ein Kandidat für die Plemplem-Medaille. Aber zumindest sieht man daran, daß es bizarre Abhärtungsmethoden in der Erziehung tatsächlich gegeben hat, ja sogar immer noch mancherorts gibt.
Es müssen also nicht alle Abhärtungsberichte hier erfunden sein. Die meisten sind es vermutlich trotzdem.
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