1001
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Passend zu den 1000 Grimm’schen Märchen eins der ungeschriebenen 1001.!
Es war einmal ein Frosch, besser, um der Geschichte den richtigen Anfang zu geben - eine Kaulquappe. Sie hatte das Glück, nicht von bösen Buben aufgeblasen zu werden und sie war unübersehbar etwas besonderes – sie war eine Mutation. Sie war mehr als doppelt so groß als ihre Artgenossen desselben Jahrgangs.
Es nahm nun nicht Wunder, dass aus dieser Riesenkaulquappe ein Riesenfrosch wurde, das genaue Gegenteil eines Zwergfrosches, wie sie auch mal zu sehen und Menschen schon aufgefallen sind.
Der Kaulquappe wie erst recht dem Riesenfrosch mußte auffallen, dass da was anders war - besser, nicht stimmte.
Den Begriff Mutation kannte weder die Kaulquappe noch der ihr durch Verwandlung folgende Frosch, doch trotz Bodenhaftigkeit hatte er eine Vorstellung, die sich langsam zu einer fixen Idee entwickelte, die von der einfachen Tatsache ausging, dass er wohl für etwas höheres geboren sei.
Seine Traumatisierung störte das wenig, da er zumindest auch positives durch seine Größe hatte. Es kam kein Streit mit ihm auf. Auch ohne sich aufblähen zu müssen, sah er wie ein Sieger aus. Dumm war nur, es haperte mit dem Springen. Nun wußte der Frosch nichts von den Gesetzmäßigkeit der Verknüpfung der 1. und 3. Potenz, doch es fehlte ihm an den anderen Fröschen vergleichbarer Sprungkraft. Nach seiner ersten Theorie hätte er als doppelt so großer Frosch auch doppelt so hoch springen müssen, doch es wurde nichts aus seiner Theorie.
Ihn strengte an, was den anderen so leicht fiel, doch Quaken konnte er bis runter zu Baß und da kamen die anderen Frösche nicht mit. Frustierend war jedoch, nicht so lebendig durch die Gegend hüpfen zu können und da er nun unumstritten der größte war, deuchte es ihm nur recht und billig, dass er sich für größeres ausersehen fühlte. Er beobachtete den Flug der Vögel und es kam ihm die glänzende Idee, er sei für das Fliegen geboren. Das wollte gar nicht klappen und es ärgerte ihn außerordentlich, dass seine Nahrung fliegen konnte, so dass diese noch weniger zu lachen hatte, sogar ihr Leben verlor, wenn er schon längst statt war.
Da nahm es nicht Wunder, dass der Riesenfrosch immer größer und fetter wurde. Für den Riesenfrosch war klar, da er schon eine Verwandlung hinter sich hatte, dass ihm wohl Flügel wachsen würden. Während seine Artgenossen lustig und voller Liebesdrang durch die Gegend hüpften, blies er allenfalls Trübsal und verspeiste noch mehr fliegende Beute statt sich um seine Vermehrung zu kümmern.
Was ihn am meisten ärgerte – es kamen immer wieder Störche vorbei und nahmen Frösche mit auf ihrem Flug nach irgendwohin und die ganz Froschkolonie quakte jedesmal „Bon voyage“ – war einfach so überliefert von einem mal eingewanderten französischen Frosch! So sehr er den Hals auch reckte, die Störche ignorierten ihn – er war zu groß, hüpfte nicht und konnte entsprechend nicht ein echter Frosch sein. Das konnte nicht sein – Flügel wollten ihm nicht wachsen, ein Storch wollte ihn nicht mitnehmen, Voyeur zu sein, war dauerhaft nicht spannend, doch für einen Flugreisenden, z.B. eine Voyager, wollte es nicht reichen!
Der Riesenfrosch, der unbedingt zum Reisefrosch werden wollte, sann auf Abhilfe und hatte die geniale Idee ,
sich auf die einfachste Art und Weise der Welt kleiner zu machen. Er glitt mit Mühe ins Wasser, wenn sich ein Storch näherte und bewegte lockend seinen Kopf, während sein Riesenkörper halbwegs getarnt im Wasser nicht so auffiel. Dieser Trick mußte ja mal klappen und hatte Erfolg. Ein Storch erspähte ihn und öffnete seinen Schnabel für die Beute, langte zu, wollte die Beute aufheben und landete erst mal... so gar nicht storchisch fast eine Etage tiefer. Der Riesenfrosch sah schon seine Felle in Form eines unfreiwillig badengehenden Storches davonschwimmen, doch er hatte das Glück, an einen Klapperstorch von der Sorte, die auch mal Kinder austrägt, geraten zu sein. Ganz unklapperstorchisch war dieser wiederum voller Wut, nachvollziehbar nach seinem unfreiwilligen Tauch- oder Taufbad. Er faßte den Frosch am Wickel, also endlich passend, stemmte sich nach hinten, hielt mühsam das Gleichgewicht und zog den Riesenfrosch aus dem Wasser, besann sich auf seine Klapperstorchfähigkeiten und schwang sich mühsam in die Lüfte, begleitet von einem einzigen Gequacke der ganzen Froschkolonie „Bon voyage“, dass er froh war, keine Ohren zu haben, da sie ihm gewaltig gedröhnt hätten.
Das Schicksal des Frosches ist jedem so klar, dass es keiner weiteren Erwähnung bedarf, doch die Folgen waren nicht vorhersehbar. Die jungen Störche waren für mehr als einen Tag versorgt und hätten am liebsten ihre kleinen Storchenschnäbel gerümpft, wenn es nur gegangen wäre, als sie am nächsten Tag wieder mit Kleinfröschen versorgt wurden. Der Storch wiederum, der seinen freien Tag genossen hatte, bedauerte sehr, wieder ununterbrochen Futter ranschaffen zu müssen und dass ihm kein weiterer Riesenfrosch vor den Schnabel kam, ausgerechnet zu einem Zeitpunkt besonders großen Futterbedarfes und wo er die Technik des Transports von Riesenfröschen doch gerade erlernt hatte.
So dämmerte allmählich dem Storch, dass er wohl zu früh hingelangt hatte und es besser gewesen wäre, dem Riesenfrosch erst einmal Nachwuchs zu bringen, sich auf seine Fähigkeit als Klapperstorch zu besinnen, statt ihn zu seinem eigenen Nachwuchs zu transportieren. Junge Störche fressen viel und ein Frosch, der vom Fliegen träumt, reicht da nicht lange, wenn sie selber fliegen wollen!
Die Geschichte des Riesenfrosches ist auf geheimnisvolle Weise von einem Storchennest zum anderen gewandert und aus dem Traum des Frosches, fliegen zu können, ist der Traum der alten wie der jungen Störche geworden, Riesenfrösche als leckere und langanhaltende Mahlzeit bekommen zu können, aber es würde nie einem Storch auch nur im Traum einfallen, wenn sie denn Zeit dazu haben, auf die Idee zu kommen, dass ein Artgenosse diesen Traum zerstört hat. Für alle Störche ist der Riesenfrosch ein Märchen, das sie gern ihren Kindern erzählen – und es wird wohl so lange wären, bis durch eine Laune der Schöpfung wieder ein Riesenfrosch entstehen wird, der seine natürliche Aufgabe erfüllen und für weitere Riesnefrösche sorgen kann, um so die Storcheneltern zu entlasten.
Es ist jedoch zu befürchten, dass es nicht so leicht dazu kommen wird; denn welcher Storch wird schon einen Riesenfrosch seine natürliche Aufgabe erfüllen, d.h. einen solchen, jetzt bekannten Leckerbissen liegen lassen, damit womöglich ein anderer ihn sich schnappt. Das setzte voraus, dass Störche über ihr Tagesgeschäft hinaus noch an die Zukunft denken können müßten.
Wie oft im Leben wird das meist gewünschte aus purem Egoismus des einzelnen zerstört und bleibt so das meistgewünschte.
Es reicht nicht, wenn die Natur einmal einen Sprung macht, es muß schon ein Doppelsprung sein und es müssen viele glückliche Umstände dafür sorgen, dass er einer wird und bleibt .