Das große Zirpen
Glücklich leben die Zikaden, denn sie haben stumme Weiber! – dieser Spruch aus dem alten Griechenland wäre heute gewiss umstritten, doch schon damals wussten die Menschen, dass bei den Zikaden, genau wie bei Grashüpfern, Heupferden und Grillen, üblicherweise nur die Männchen zur Lautäußerung befähigt sind. Und diese dient hauptsächlich dem Anlocken der Weibchen. Die männlichen Singzikaden etwa sitzen, dicken Fliegen oder Nachtfaltern gleich, scheinbar reglos an den Stämmen der Bäume und veranstalten einen Höllenlärm. Möglich ist dies durch Trommelorgane, die die Tiere seitlich gut versteckt am Körper tragen und in Schwingungen versetzen. Von Feinden bedroht oder in unserer Hand »schreien« die Tiere zur Abwehr laut. Die Larven der Singzikaden leben mehrere Jahre im Boden, wo sie sich von Wurzelsäften ernähren. Auch bei uns gibt es sehr viele Zikadenarten, aber nur wenige Singzikaden. Die meisten von ihnen leben in den Tropen, doch auch jeder Mittelmeerurlauber kennt das rhythmische Schnarren dieser Tiere hoch oben in den Baumkronen. Mit den Zikaden gar nichts zu tun haben übrigens die Grashüpfer, Heupferde und Grillen. Sie gehören zu den Heuschrecken, einer Gruppe von Insekten, welche vor allem für ihre Sprungkünste bekannt sind, was zumeist deutlich an ihren Sprungbeinen zu sehen ist. Die Grashüpfer etwa bevölkern unsere Wiesen und Ödländer oft massenhaft und in vielen, teilweise schwer unterscheidbaren Arten. Meist sind sie bräunlich oder mattgrün gefärbt, manchmal erscheinen sie aber auch recht bunt. Sie haben stets kurze, relativ dicke Fühler, und wenn sie zirpen, dann höchstens leise, indem sie mit den Hinterbeinen über die Deckflügel streichen. Ihre Eier betten sie vielfach in ein schaumiges Nest, das an der Luft rasch erhärtet und nach einigen Monaten den Nachwuchs entlässt, welcher wie bei allen Heuschrecken bereits den Alttieren sehr ähnlich sieht. Grashüpfer sind nur im Sonnenschein aktiv und leben rein pflanzlich, aber anders als die nahe mit ihnen verwandten Wanderheuschrecken wärmerer Zonen sind sie keine Schädlinge. Heuschrecken mit langen, dünnen Fühlern, die beinah an die Schnurrhaare einer Katze erinnern, sind dagegen Allesfresser, die sich oft auch räuberisch von anderen Insekten wie etwa Raupen ernähren. Zu ihnen gehören etwa die Heupferde und die Grillen, welche vielfach nachtaktiv sind. Die Weibchen dieser Langfühlerschrecken besitzen am Körperende üblicherweise einen schwert- oder nadelförmigen Legestachel, mit dem sie ihre Eier im Erdreich oder in Pflanzenteilen unterbringen. Stechen können sie damit nicht, doch speziell die größeren Arten können sich notfalls recht gut durch Bisse verteidigen, etwa wenn sie ungeschickt ergriffen werden. Die Männchen zirpen oft sehr laut, indem sie spezielle Strukturen ihrer Deckflügel gegeneinander reiben. Heupferde bevölkern bei uns in etlichen Arten Wiesen, Felder und Gebüsche. Sie klettern gut, und die langflügeligen Arten können auch passabel fliegen. Ihr Nachwuchs schlüpft bisweilen erst nach mehreren Jahren aus den Eiern. Unsere bekannteste Art, das Grüne Heupferd, ist sicher jedem von uns schon aufgefallen. Wie der Name schon sagt, ist dieses Tier meist leuchtend grün und misst etwa vier Zentimeter, erscheint aber durch die langen Flügel und Beine wesentlich größer. In höheren Gebirgslagen gibt es dagegen häufiger das Zwitscher-Heupferd, welches ganz ähnlich ausschaut, aber etwas kürzere Flügel hat. Weitläufig verwandt mit den Heupferden sind die meist unscheinbar gefärbten Grillen. Sie leben meist sehr heimlich in Erdlöchern, unter Steinen und in Mauerritzen. Ihre Eier brauchen zur Entwicklung oft nur einige Wochen. Unsere bekannteste Art, die stattliche schwarze Feldgrille, bewohnt selbstgegrabene Erdbauten an sonnigen Rainen und Grashängen und erfreut uns vom Mai bis in den Sommer hinein mit ihrem typischen Grillengesang. Bebauung und moderne Landwirtschaft verdrängten das charismatische Großinsekt allerdings in wenige, naturnahe Gebiete, so dass ein richtiges Feldgrillenkonzert inzwischen ein ganz besonderes Erlebnis ist. Recht ähnlich hört sich die kleinere, hellbraune Hausgrille an, die sich als Heimchen dem Menschen angeschlossen hat und hierzulande dauerhaft nur in beheizten Gebäuden überleben kann. Bestenfalls im Sommer trifft man das wärmeliebende Tierchen auch im Freien an. An sich ist das Heimchen harmlos, doch als nächtlicher Musikant vermag es in Wohnräumen recht lästig zu werden. Noch ein Stück kleiner ist die dunkelbraune Waldgrille, deren leise schnurrendes Liedchen aus der Laubstreu sonniger Waldränder ertönt. Die fahlgelben bis zartgrünen Baumgrillen erinnern dagegen in Aussehen und Lebensweise eher an kleine Heupferdchen als an Grillen, und eine heimische Art, das Weinhähnchen, erfüllt unsere Sommernächte mit einem feinen, schwebenden Gesang. Von ganz anderem Kaliber ist unsere größte Grillenart, die fingerdicke Maulwurfsgrille. Tatsächlich besitzt dieses Tier Grabklauen, die verblüffend denen des Maulwurfes gleichen, und wie dieser verbringt die Maulwurfsgrille fast ihr gesamtes Leben unter der Erde. Wurzeln, die ihr beim Graben im Wege sind, beißt sie zum Leidwesen der Gärtner kurzerhand durch, nützlich macht sie sich aber durch eifriges Vertilgen zahlreicher Bodenschädlinge. Ferner ist die Maulwurfsgrille ein wahres Multitalent; nicht nur dass sie gräbt und zirpt, sie kann auch flott vor- und rückwärts laufen, schwerfällig fliegen und dank ihres wasserabweisend samtigen Körpers sogar schwimmen und notfalls tauchen. Außerdem betreibt sie Brutpflege. Nur springen, so wie die übrigen Heuschrecken, das kann sie nicht.
aus »Echo«
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