Nicht allen ist bekannt, dass der von den Nazis 1934 ermordete Erich Mühsam nicht nur aufrechter Anarchist und emsig publizierender Geißler der Zeitläufte war, sondern auch Verfasser einer Reihe Gedichte homoerotischen Inhalts, die man getrost zu den peinlichsten Publikationen ihrer Art zur Zeit der Weimarer Republik zählen kann. Als Beispiel sei hier das 1922 in der Schwulenzeitschrift 'Der Eigene' abgedruckte Gedicht 'Hubert' vorgestellt:
Ich liebte dich, als scheu dein Knabenblick
aus weltenfernen, wunderfremden Römern
der Unerkenntnis Perlenschäumen zog -
und meine Liebe war ein heißes Glück,
das schluchzend aus der Sehnsucht Klause flog;
denn ich hielt dir das Glas, daraus du trankst. -
Mit aller Glut, die je aus Liebe flammte,
mit aller Qual, zu der ein wildes Herz
je eines Menschen Liebeslos verdammte,
sah ich, wie du um deine Kindheit rangst
und rang mit dir um mein zerglüht Geschick. -
Du warst ein Knabe - o, ein schöner Knabe,
und vor dir deine Welt. - Ich aber habe
manch Weib seither gesehn, - doch nie ein Glück.
Und nun - nun trittst du wieder mir entgegen
ein Jüngling, dem das Leben sich enthüllte.
In deinen Augen liegt ein weiches Weh
von einer Sehnsucht, die sich nicht erfüllte.
Wie sich mir ferner Tage Gluten regen! -
Es steigen lebensbunte Bilder hoch. -
O Dank, daß ich im Blick die Tränen seh'. -
Ich lieb dich noch! - Ich lieb dich noch! -
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