Kann alles sein. Ich habe ihr meine uneingeschränkte Unterstützung zugesagt. Weil ich an sie glaube. Sie ist der ehrlichste Mensch, den ich kenne, und sie ist sich - im Gegensatz zu so manch anderem - ihrer Vorsätze und Ansprüche an sich selbst permanent bewußt. Mit einem Wort: Sie arbeitet hart an sich. Und derzeit leidet sie. Warum, kann sie mir nicht sagen, und auch das ist für sie kaum erträglich, denn meine Freundschaft bedeutet ihr offensichtlich viel. Es ist ja tatsächlich so, daß wir uns nicht gesucht, aber gefunden haben. Ein Verstehen ist immer möglich gewesen und die Rate an Mißverständnissen verschwindend gering. Als wäre ich einer Schwester begegnet. Mit der ich den Großteil meines Lebens verbracht habe.
Nun aber eine Beziehung, die sie über Gebühr zu belasten scheint. Eine völlig ungewohnte Situation für sie, die immer stolz auf ihre Fähigkeit war, sich allein durchschlagen zu können. Sie reagiert gehemmt, ihr Verhalten ist untypisch, sie kämpft mit sich und muß sich anpassen und verstellen. Diese Beziehung war ihr Traum und ihr Wille. Sie kann nicht anders, als sie am Leben halten. Und doch kostet sie das massiv Energie. Ich sehe sie seltener lächeln. Ihre Stimme schwankt viel öfter als früher ins Resignierte, Ratlose. Ihre Augen wenden sich häufiger ab, nach innen. Und die ganze Leichtigkeit, um die ich sie stets bewundert, ja, beneidet habe, verpufft. Das macht sie erwachsener, nicht unbedingt unattraktiver. Aber irgendwie paßt es nicht zu ihr. Es entspricht nicht ihrem Wesen, düster und nachdenklich zu sein. Das wirkt wie eine schlecht sitzende Maske, die ihr die Anmutung einer untalentierten Schauspielerin verleiht.
Ich sitze in der ersten Reihe und schaue verwundert auf ihre Bühne, wo sich alles so anders entwickelt als vermutet und geplant. So nah am Wasser wie jetzt habe ich sie früher nie erlebt. Und diese stummen Bitten um Verständnis zwischen den Zeilen ihrer Nachrichten. Dieses: »Vielleicht später« - das irritiert.
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