Der Hausmann
Es war ein allgemeiner Haushalts- und Dienstleistungsalltag, an dem er sich allenthalben saugend und wischend durch die Räume bewegte. Verärgert bemerkte er, wie schnell der Tisch vollgestellt war beim Aufräumen von Gerümpelecken. Fenster wollten geputzt sein. Beim letzten hatte er den Trick mit dem Wischer herausgefunden, damit ihm das Wischwasser nicht ständig in die Ärmel lief. Als er die Jalousien, deren Lamellen er einzeln abgewischt hatte, wieder aufhängte und die Blumen teilweise rigoros beschnitten hatte, setzte er sich auf den Stuhl und genoß die splendide Umgebung, die er sich gerade geschaffen hatte.
Ein Brummen aus den Lautsprechern riß ihn aus seiner Betrachtung: er mußte seine Anlage erden! Ein Stück Draht war schnell gefunden, doch der Lötkolben war defekt, durchgelötet. Also mußte er den Draht mit Isolierband an der Heizung befestigen. Beim Suchen in alten Kisten bemerkte er die Staubschicht, die sich über alles gelegt hatte. Sollte er jetzt anfangen Staub zu wischen, oder lieber die Papiere wegsortieren, die sich auf dem Fußboden gesammelt hatten? Doch halt, er wollte ja endlich das Band für Walter machen! Also in Cassetten wühlen....das konnte bei 300 Stück ein Abenteuer werden. Beim Durchhören der Cassetten stieß er auf Songs, die er zum Üben beiseite gelegt hatte. Aber jetzt bitte nicht üben! Shit, er mußte ja noch die 3-Tage-Stuhlprobe kacken, und es mußten jahreszeitliche Umtopfarbeiten ausgeführt, und die Blumenkästen mit klebrigen gelben Stickern gegen Fruchtfliegen versehen werden. Zerwühlt schrie das Bett in seiner Ecke: glätte mich! Das Bad müßte auch mal wieder geputzt werden. Lieber würde er sich aufs Rad schwingen und in die klare Septemberluft fahren. Aber schon im Flur stolperte er über den halben Sommer, der sich aufräumheischend angehäuft hatte mit Sandalen, Badehosen und anderem Gelumpe und Gelärche (Hess. Fachausdruck für Sammelsurium an Sachen), einschließlich Werkzeug, das in die Garage mußte. Das Altglas gierte nach einem Container, und obwohl er den Zeitungsbehälter zugeklebt hatte, konnte er sich der eintreffenden Werbeflut nicht erwehren, und so kanalisierte er sie in zwei Ströme: Hochglanz-Altpapier und Schnellgilbendes.
Früher dachte er, es läge am Kiffen, daß er sich immer so zuwuselte. Weit gefehlt! Es lag an ihm selber, in ihm. Und am Wesen der physischen Existenz, die dazu tendierte, Schicht auf Schicht zu lagern, mit den dazugehörigen Schwebeteilchen, besonders wenn im Spätsommer die riesigen Erntemaschinen staubend durchs Dorf fuhren. So wurde er zum Archäologen in eigener Sache und grub immer wieder Dinge aus, die die Zeit mit anderen Dingen überlagert hatte, wie jetzt gerade, wo ihm unter Ansichtspostkarten Rezepte aus seinem alten Kochkurs aufstießen.
Erwin Spinger - 1998
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