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Schreibakteur schrieb am 13.5. 2008 um 22:50:26 Uhr über

Weltraum

Als du aufwachst, stellst du fest, dass dein Raumschiff nicht dort ist, wo es eigentlich sein sollte. Du wunderst Dich, denn vor dem Schlafengehen hattest du den Autopiloten ja korrekt programmiert. Du hattest sogar noch zweimal nachgeprüft, denn es war dir klar, dass ein falscher Kurs aufgrund eines Programmierfehlers während des Kälteschlafs dich sonstwohin bringen kann. Aber die Programmierung war in Ordnung, da bist du ganz sicher. Dennoch überprüfst du noch einmal den Autopiloten. Die Programmierung war in der Tat in Ordnung. Aber nach etwa zwei Jahren ist plötzlich ein unerwarteter Sprung in den Positionsdaten aufgetreten. Was aber kann die Ursache sein? Das Raumschiff kann doch nicht einfach plötzlich seinen Ort wechseln, oder etwa doch? Vielleicht gibt es ja doch die sagenumwobenen Wurmlöcher, die ein Raumschiff in Sekundenschnelle in weit entfernte Raumregionen, oder sogar in eine andere Zeit bringen können? Oder vielleicht war der Raum, den du durchquert hast, doch nicht so unbesiedelt, wie du dachtest, und die Außerirdischen besitzen eine unbekannte Technologie, mit deren Hilfe sie ein unerwünscht eindringendes Raumschiff einfach woandershin versetzen können?

Vielleicht ist aber die Erklärung auch profaner: Vielleicht hat eine Störung im Navigationssystem zu einer Fehlinterpretation der Daten geführt. Diese Navigationssysteme sind ja inzwischen so komplex, dass kein einziger Mensch noch durchblickt. Es ist schon ein Wunder, dass die aufgezeichneten Daten überhaupt so gut zur Realität passen. Vielleicht ist ja plötzlich ein Fehler im Programm aufgetreten, der diese Beziehung gestört hat. So wie ja schon vor Hunderten von Jahren, als Computerprogramme eigentlich noch recht einfach und überschaubar waren, das Ozonloch lange Zeit nicht bemerkt wurde, weil die Fehlerkorrektur es einfach aus den Daten herausgerechnet hat, getreu dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.

Wenn schon die damalige primitive Software solche Fehler machte, dann ist der heutigen Software durchaus auch eine derartige Fehlfunktion zuzutrauen. Das Programm hätte dann gewissermaßen Wahrnehmungsstörungen gehabt. Das gibt es ja auch beim Menschen. Es ist bekannt, dass der Großteil der Welt, die wir wahrnehmen, in unserem Kopf konstruiert wird, und die Informationen von draußen machen nur einen kleinen Teil aus. Auch das menschliche Gehirn macht Fehlerkorrekturen, die echte Daten herauswerfen und durch vorhergesagte ersetzen. Und im Verlauf der Jahrhunderte ist die Softwarekomplexität derart angewachsen, dass die Größe des Binärcodes eines typischen Kontrollprogramms ein Vielfaches der Größe des menschlichen Genoms ist. Und dabei ist der Binärcode schon längst nicht mehr das eigentliche Programm. Da kommt die Bytecode-Schicht, die Logikanalyse-Schicht, und noch ein gutes Dutzend weitere Schichten, von denen du größtenteils noch nicht einmal den Namen kennst. Diese ganzen Schichten wandeln die Daten mindestens so gründlich um, wie es das Gehirn tut, wenngleich nicht ganz auf dieselbe Weise. Aber wer sagt, dass Computer nicht auch das Analogon zu Geisteskrankheiten bekommen können? Sicher, so ein Fall ist nie bekannt geworden. Aber liegt das vielleicht daran, dass die Unternehmen solche Ereignisse gerne verheimlichen? Immerhin gab es in letzter Zeit einige spektakuläre Unfälle. War der Absturz der Gloria Universi auf dem Mond wirklich ein Hardware-Versagen? Und was war mit dem Zusammenstoß des Galactic Explorer mit einem Frachtschiff? Angeblich ein Fehler des Piloten, der aber stets bestritten hat, überhaupt die Kontrolle übernommen zu haben - vielleicht war das ja sein Fehler.

Nun, was immer passiert ist, jetzt befindest du dich jedenfalls in einem völlig unbekannten Raumgebiet. Weitab von jedem Stern können die Navigationsgeräte keine sinnvolle Positionsangabe liefern. Zwar gibt es noch den Hintergrundintegrator, der die Bewegung relativ zum Mikrowellenhintergrund aufintegriert, aber dessen Positionsdaten beruhen auf der gesamten Wegstrecke, und da ist ja dieser unerklärliche Sprung in den Daten, so dass auch diese Positionsbestimmung, die normalerweise zwar die ungenaueste, aber auch die zuverlässigste ist, im Moment nicht wirklich belastbare Daten liefert. Andererseits, etwas besseres steht dir auch nicht zur Verfügung, und dort zu bleiben, wo du bist, ist definitiv auch keine Lösung, zumal die Vorräte nicht allzu üppig sind. Also programmierst du den Autopiloten, denselben Kurs wieder zurückzufliegen. Vielleicht funktioniert ja auch der Effekt, der den Sprung in den Positionsdaten verursacht hat, in beide Richtungen, dann wüsstest du hinterher wenigstens wieder sicher, wo du bist. Vorausgesetzt, die Navigation ist zumindest halbwegs zuverlässig und hat keine zufälligen Halluzinationen oder ähnliches. Aber darauf musst du dich jetzt eben verlassen. Jetzt stehen dir jedenfalls wieder ein paar Jahre Kälteschlaf bevor, und dann wirst du hoffentlich mehr wissen. Falls das Schiff nicht zwischendurch Selbstmord begeht oder ähnliches. Kann man das ausschließen? Hat ein computergesteuertes Raumschiff Gefühle? Vielleicht hättest du doch nicht so viel auf die Steuerung schimpfen sollen ... jedenfalls kann es nicht schaden, noch schnell ein paar freundliche Worte zum Computer zu sagen, bevor du in die Schlafkammer schlüpfst. Man weiß ja nie, und schließlich willst du irgendwann auch wieder aufwachen.

Als du dich in die Schlafkammer legst, kommen deine Gedanken immer noch nicht zur Ruhe. Die Sorge über die Steuerung ist zu stark. Aber zum Glück musst du dich nicht auf das natürliche Einschlafen verlassen, das würde dir jetzt nämlich sicher nicht gelingen. Aber die Schlafkammer sorgt für ein sicheres Einschlafen, und so dämmerst du bereits weg. Hoffentlich nicht für immer.



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