vivaldi
oder: wie man das rückgrat einer ratte entölt,
ohne gebissen zu werden
das jahr wird aus frommen wünschen gemacht, wenn das wasserrohr birst.
man braucht auch etwas fischlaich dazu, am besten in milch eingeweicht,
und den kragen eines exkommunizierten kaplans - zur not geht aber auch
ein pensionierter organist, wenn er noch dauerhafte erektionen
hervorbringt, was seinesgleichen sonntagmorgens meist nicht schwerfällt.
wenn der fischlaich ganz sämig geworden ist, gieße man die milch ab
und verrühre darin zwei bis drei fromme wünsche, je nach qualität,
bis sich die milch blau färbt und die wünsche ganz sacht und bedächtig
aufsteigen. dem kirchenmann reißt man jetzt kurzentschlossen den kragen
ab und legt ihn locker um den oberen wunsch.
war der kleriker noch gut, verbindet sich der wunsch mit dem kragen zum
heiligenschein. war er aber verdorben, schreit er sowieso die ganze zeit
herum und will seinen kragen wieder, weil er sonst nichts hat.
in diesem fall wird es meist auch kein gutes jahr werden.
andernfalls tropft der untere wunsch in die ausgegrabene urne, die
hoffentlich längst bereit steht, und gerinnt im allgemeinen zu einem
dummen spruch oder leichten fluch, während der heiligenschein an tempo
gewinnt und eilig davonfliegt.
jetzt ist es an der zeit, den geplünderten kirchenmann mit dem geplatzten
wasserrohr zu verprügeln, bis er inständig und vernehmlich drei
vollständige ave mariae gebetet hat, was man ihm aber keinesfalls sagen
darf.
den organisten kann man ersatzweise völlig ausrauben, in hummelhonig
tauchen und komplett neu a la mode einkleiden.
fürchtet man die kalten, regnerischen jahre, sollte man badekleidung
nehmen - so knapp, daß er gerade eben nicht sofort verhaftet wird.
will man dagegen allzuviel sonne vermeiden, muß man stattdessen seine
tochter mit türkischem blaubeersirup bestreichen, bis sie überall pappt,
anschließend gut in mehlwürmern wälzen und auf links wenden.
um ganz sicher zu gehen, sollte man den davongeflogenen wunsch energisch
zurückpfeifen, bevor er sich ins gegenteil kehren kann, und mit einer
frisch geschnittenen, einjährigen haselrute in die urne treiben.
wenn alles gutgeht, ertönt eine art zufriedenes grunzen.
kommt dieses aus westlicher richtung und ist feucht, wird es vielleicht
kein sonniges jahr. ertönt es aber trocken und weniger zufrieden aus dem
süden oder direkt von oben, muß man in der nächsten viertelstunde nicht
mit einer verknappung geblümter regenschirme rechnen und sollte sich
sogleich einen bananensplit bestellen, wozu man reichlich trinkgeld
bereithält.
der kirchenmann kann als kühlung dienen, indem man ihn zwingt zu verraten,
wo man sich unter der orgel verkriechen kann, wenn die marktfrauen kommen.
die marktfrauen sind zwar für ein gutes jahr nötig, aber sie müssen
unverheiratet bleiben, was ihnen in nicht zu guten jahren recht leicht
fällt, und alle ein silbernes glöckchen am ellenbogen tragen, wenn sie
nicht marie heißen. wenn aber doch, so bräuchten sie das glöckchen zwar
eigentlich noch dringender, denn mindestens eine marie muß bekanntlich
zur gärung mit dem kleriker in die krypta gesperrt werden, bis er
wollknäuel ansetzt, aber die vermag er bei glockenklang nun mal nicht
zu spinnen.
zu einem richtig guten jahr gehört auch ein doppelzylinder. die besten
rodet man zeitig vor dem ersten frost, während zwei echte jungfrauen
einem beide ohren auslecken, und läßt sie sich zwei wochen lang setzen,
bis sie sich etwas abgeschliffen haben.
zur verzierung empfiehlt sich wie immer eine cocktailkirsche, die man
unbedingt noch mit etwas amaretto angießen sollte.
ist der kirchenmann ganz mit wollknäueln bedeckt, pellt man ihn zu ein
wenig dillsoße, die von einer hure entweiht wurde, und kann ihn
sicherheitshalber mit weggießen. wer das nicht fertigbringt, sollte sich
eine andere beschäftigung suchen; empfehlenswert ist hier das handwerk
des zöllners, des tabakglattstreichers oder des fußbodenverlegers.
das jahr kommt zu keinem guten ende, wenn man nicht etwas norwegischen
zimt, kardamom aus alaska und malayisches senfpulver in die urne streut
und das ganze mit einem schuß abgelagertem altöl anmacht, bis es etwa
wie steinkohlenteer aussieht und auch beinahe so riecht. als clou kommt
nun noch ein spritzer frisch gesegneten salböls obenauf - roter balsamico-
essig nach geschmack!
ein gewöhnliches jahr erreicht leicht 1 meter 65, und man kann ruhig ein
paar auf vorrat machen, achte dann aber darauf, ab und zu ein schalkjahr
einzustreuen, das bekanntlich etwas kürzer ist und der regel gehorcht:
schalkjahr - kalkhaar!
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