Meine Mama wusste es nicht besser. Von ihrem Vater, einem einfachen Holzfäller, hatte sie mitbekommen, dass man einen trotzigen Buben richtig verdreschen muss, damit aus ihm kein Verbrecher wird. Und damit die Wirkung der Strafe nicht verfehlt wurde, schlug man Buben grundsätzlich mit einem Kochlöffel, einem Teppichklopfer, einem Rohrstock oder dem Hosengürtel, wenn’s sein musste auch auf den nackten Hintern. So mancher Schlaumeier hätte sich sonst vor dem Strafvollzug rechtzeitig ein Schläge milderndes Polster in die Lederhose gesteckt.
Die Schläge vom Vater
Die körperliche Züchtigung oblag dem Vater, wenn er von der Arbeit nach Hause kam. Die übliche Drohung lautete: „Woat nur, bis da Vadda kimmt!“ Als die Männer im Krieg waren, übernahmen immer mehr die Mütter diese erzieherische Aufgabe.
Ich erinnere mich noch genau an die Zeit, ich war so ca. drei Jahre alt, da ich das kindliche Paradies verließ und meinen Willen erprobte. „I mog net“ war das Schlüsselwort, das urplötzlich meine kindlich heile Welt in eine grausame Hölle verwandelte.
„I mog net“, sagte ich völlig unbedarft, weil ich irgendetwas nicht mitzumachen gewillt war, weil ich einfach keine Lust hatte, sei es, dass ich mich gegen einen Spaziergang wehrte oder etwas nicht essen wollte. „Wos host gsagt?“, hakte die Mama aufgebracht nach. Ich spürte, dass ich in diesem Moment nicht mehr ihr „Liewerl“ war, wie sie mich nannte, wenn ich mich lieb und gehorsam zeigte. „Sog des no amoi!“ , drohte sie.
Ich nahm diese Aufforderung an, stampfte mit dem Fuß auf den Boden und wiederholte trotzig: „I mog net!“ Nun watschte sie mich ab, begleitet von einer Schimpfkanonade: „Du Hundskrippel, du verreckter! Du Sau-fratz, du mistiger!“ Noch war mein Wille nicht gebrochen. Ich bog mich nicht einmal, schon gar nicht körperlich, sondern heulte laut auf und bekräftigte nochmals schluchzend, dass ich nicht mag. Jetzt holte die Mama den Kochlöffel aus der Küchenschublade und schlug auf mich ein.
Es waren nicht die Schläge, die meinen Körper trafen und mich verletzten. Es waren vielmehr die Schläge, die ich in meiner Seele verspürte. Die Demütigung und das hilflose Ausgeliefertsein. Vor allem aber quälte mich die Angst, nicht mehr geliebt zu werden. Die Mama mag mich nicht mehr und mein Schutzengel weint. Die Tränen rannten mir über die Wangen bis in den Mund. Sie schmeckten nach Salz. Ich weinte bitterlich und solange, bis nur noch ein leeres Zucken meinen Körper durchströmte und keine Träne mehr aus meinen Augen quoll.
Dieses grausige Schauspiel wiederholte sich von nun an immer wieder, bis ich schon alleine beim Anblick des erhobenen Kochlöffels aufgab, was ich tat oder zu tun beabsichtigte. Ich habe gelernt, mich zu biegen, mein Wille aber wurde nicht gebrochen.
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