Silke war viele Jahre lang Aushilfsbuchhalterin unserer Buchhandlung. Ein gescheites und sympathisches Mädchen, das schon mit 17 alle Finessen der doppelten Buchführung beherrschte. Von Angesicht nicht ausgesprochen schön zu nennen, hatte sie doch eine natürliche Ausstrahlung, sehr deutsch vielleicht, mag der eine oder andere bemängelt haben, mit ihrem Pferdeschwanz, ihrer Aura robuster Virginität, den immer leicht geröteten fleischigen Wangen und dem allen Trends trotzenden Kassengestell vor den fröhlichen Blauaugen. Alles in allem eine angenehme Kollegin, die unser Irrenhaus stets mit einem Rest von entspannter Solidität versah. Das einzige echte optische Manko Silkes war die Tatsache, daß sie etwa zwei Meter fünf groß war, Schuhgröße 49 besaß und ohne dabei sonderlich drall zu wirken, mindestens 90 Kilo auf die Waage brachte. Für so ein insgesamt eher zur Schüchternheit neigendes Frauenzimmer muß diese Art anatomischer Bühnenpräsenz die Hölle gewesen sein. Wir haben uns das nie anmerken lassen, allenfalls ich mit meinem Kasperlebonus brachte es manchmal über mich, sie anzusprechen und dabei mit meinen einsneunzig hochzuhüpfen, um Blickkontakt herzustellen. Silke war wirklich lieb. Und eine ausgesprochen akkurate Bürokraft, sodaß der sich über Jahre eingeschliffen habende Brauch, ihren etwas farblosen Namen einer Vertuwörtlichung oder auch Adjektivierung zu unterziehen, Außenstehenden etwas grausam erscheinen mag, doch war sie in diesen Spaß eingeweiht und schien auch nicht sonderlich darunter zu leiden. »Wer hat den Bestellzettel versilkt?« - »Lass das Rumgesilke!« - »Ich muß mal silken...«. Der Späße waren viele und im ermüdenden Arbeitsalltag waren sie noch nach Jahre unverbrauchter Quell der Heiterkeit, vermutlich dadurch genährt, daß bei jeder Wortsilkung stets das Bild eines heiteren Riesenfräuleins vor die Augen trat, das vermutlich gerade im Büro auf dem Taschenrechner zauberte und einfach die Größe besaß, an der solchen Infantilismen abprallten wie Schmeißfliegen von einem Panzer.
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