Otto Köhler
Grundgesetzverbrennung
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SCHEITERHAUFENDer »Spiegel« hat die Verfassung den Flammen übergeben
Ein Kerzenstummel brennt auf einem Buch, flüssiges Wachs überdeckt schon Teile des Einbands. In fünf, höchstens zehn Minuten ist die Kerze ganz herunter gebrannt, fällt der Docht um, und dann brennt alles, das flüssige Wachs, das Buch, lichterloh. Es ist das Titelbild des Spiegel dieser Woche. Gedruckt wurde es an dem Tag, als man überall in Deutschland der Bücherverbrennung vor 70 Jahren gedachte. Das Buch, das der Spiegel heute den Flammen übergibt, heißt »Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland«. Es wird gut brennen. Der Spiegel nennt es auf seinem Titelbild: »Die verstaubte Verfassung«.
Sie muss endlich brennen. Unsere Verfassung ist, enthüllt der Spiegel, eine »Konsens-Falle«, ein »Regelwerk voller Konstruktionsfehler«, das »verantwortlich« ist für die »Blockade dringend notwendiger Reformen in Politik und Gesellschaft.«
Die vierteilige Spiegel-Serie über die »verstaubte Verfassung« wird eröffnet mit einem sachdienlichen Hinweis auf die Urheber der Verfassung. Auf die, die schuldig sind, dass sich die »blockierte Republik« mit dem Grundgesetz »nicht mehr regieren« lasse: »Als besonders störrische Bremser agieren, wie einst von den Siegermächten gewollt, die Länder.«
Die Siegermächte von 1945 sind schuld, dass das wieder erwachsene Deutschland blockiert ist. Mit dieser Schuldzuweisung erfüllt der Spiegel ein Vermächtnis seines verstorbenen Gründervaters. Für Rudolf Augstein war 1949 das Grundgesetz, bevor es noch vom Parlamentarischen Rat endgültig beschlossen wurde, lediglich ein Verfassungswerk, das »in entscheidenden Punkten vom Ausland beeinflußt wurde«. Und den Parlamentarischen Rat, der die Verfassung schuf, diffamierte er: »eine verfassungsgebende Versammlung, einberufen von Ministerpräsidenten, deren Länder einem Beschluß der Sieger entsprungen sind«.
Zwischendurch einmal in den sechziger Jahren wurde der Spiegel dank der Grundrechte dieser Verfassung vor der Vernichtung durch Franz Josef Strauß und die Sicherungsgruppe Bonn bewahrt. Das »deutsche Nachrichtenmagazin« wurde linksliberal. Heute ist das Grundgesetz wieder ein Instrument der Besatzungsmächte, das Deutschlands Wiederaufstieg blockiert.
Augsteins Nachfolger, Stefan Aust, hat am Donnerstag vergangener Woche, als das Titelbild mit dem zur Verbrennung bereiten Grundgesetz feststand, in der Hamburger Handelskammer zusammen mit dem ebenfalls sehr erfolgreichen Schriftsteller Dieter Bohlen die Goldene Feder des Bauer-Konzerns bekommen. Sie wurde ihm überreicht vom Verleger Heinz Bauer, der 1971 zusammen mit Franz Josef Strauß die deutsche Industrie zum Anzeigenboykott gegen den Spiegel aufrief, weil der zu links sei. Die Laudatio hielt Angela Merkel. Sie lobte Aust und schwärmte für seine »hochgekrempelten« Ärmel: »Sie sind ein Manager, der anpackt.« - Da wird wohl, in drei Wochen, wenn die Spiegel-Serie über die verstaubte Verfassung zu Ende ist, von unserem Grundgesetz nichts mehr übrig sein.
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