»Puh, ich habe zwei Stunden Passfotos machen hinter mir.« Manfred saß erschöpft in der U-Bahn neben Clea. »Haha«, lachte Clea, »für sowas braucht man doch nur 5 Minuten.« »Ich eben nicht«, fluchte Manfred zurück, »und alles nur, weil Rachel mein Bild gesehen hat, als der Ausweis in ihrer Rumbakneipe aus Versehen auf den Boden fiel. Sie grinste breit und ging weg. Furchtbar! Und peinlich! Ich bin sofort in die Stadt zum Fotogeschäft. Setzen Sie sich mal etwas nach rechts, ein Bein auf den Hocker, Kopf etwas neigen, dann leicht nach links drehen, noch einen Millimeter höher, ich habe noch Reflexionen, Ihre Haare bitte etwas aus der Stirn, noch mal etwas drehen, so, jetzt lächeln, LÄCHELN, Hallo, und ... ach je, der Blitz ist nicht angeschlossen ... ich wäre bald verrückt geworden, alles nochmal.« Manfred grub mit seinen Händen in den Haaren herum. »Dann kam endlich der Blitz. Warten Sie hier mal 3 Minuten. Es waren dann 10 Minuten, bis die Fotografin zurückkam. Nein, die Bilder kann ich Ihnen nicht verkaufen, Sie sehen verboten aus. Wer, ich oder die Bilder? Das ist ja beim Fotografieren fast dasselbe.« »War das nicht etwas unhöflich von der Fotografin?«, fragte Clea. »Ich habe ihr jedenfalls sofort recht gegeben, ohne die Bilder gesehen zu haben. Der ganze Mist begann dann wieder von vorne. Und wurde wieder nichts. Sie wolle nicht für eine schlechte Fotografin gehalten werden, meinte sie. Die Bilder würde sie nicht rausrücken. Ob sie denn im Labor etwas nachbearbeiten dürfe, dauert aber zwei Stunden. Na gut, ich dachte an Rachel und meinen Ausweis.« »Du machst Dich ja lächerlich, Manfred«, lachte Clea, »aber Du hast doch nicht diesen Staubsack da angehabt, den Du manchmal Mantel nennst?« »Doch, es sollte ja schnell gehen, ich wollte es hinter mich bringen.« »Mit diesem Lappen wird jedes Bild Scheiße. Und wie war das Ergebnis nach dem Retuschieren?« »Irgendwie komisch, ich habe mich nicht erkannt. Ich glaube, sie hat es künstlich unscharf gemacht und die Farbe vom Mantel von Grau in wasweißich geändert. Außerdem hat sie mir die Bilder geschenkt und mich gebeten, wenn ich sie jemandem zeige, nicht ihren Namen zu erwähnen. Und ich sollte mich mal wieder ... ach ist auch egal.« Manfred drückte seinen Kopf im Stehen von innen gegen die U-Bahn-Tür. »Zeig mal die Bilder«, forderte Clea. »Nö, ich habe sie in der Stadt schon in einen Mülleimer geworfen.« »Meine Güte, so ein Aufwand für nichts. Bist Du nicht etwas überempfindlich und eitel?« »Ich existiere gar nicht mehr. Rachel hat mich annulliert. Der Fotoapparat verweigerte mich als Motiv und ich bin nur ein verschwommener Farbklecks auf Papier. Ein unterirdische schiefe Säule an einer U-Bahn-Tür. Sie hätte das Bild nicht manipulieren dürfen, nein. Aber sie musste es wohl, aus Berufsehre und der Pflicht des Fotografen zur Erträglichkeit des Motivs. Ich werde der Fotografin mal irgendwas schicken, zur Entschädigung für die erfolglosen Umstände, ja, genau...« Die U-Bahn hielt. »Da hinten am Kiosk gibt es Kakao mit Sahne. Kommst Du mit, Manfred?«, sagte Clea. Manfred drehte den Kopf in Richtung des beleuchteten Bahnsteigs. »Wo? Echt? Kakao ... ja los ...«
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