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Vietnamkrieges, um dann der
Konkurrenz des Fernsehens zu unterliegen. "Während wir unsere Filme noch entwickeln,
hat das Fernsehen schon gesendet", so lautet die oft kolportierte Frustformel damaliger
Bildberichterstatter.
Ende Dezember 1972 verschwand LIFE vom Markt, fast zeitgleich mit dem endgültigen
Abzug der amerikanischen Bodentruppen aus Vietnam. LIFE war in der Time-Life Inc.
aufgegangen und so erschienen auch nach dem Ende weiterhin Bücher mit dem alten Label.
In den achtziger Jahren erfuhr LIFE als Monatszeitschrift einen Relaunch. Jetzt wurden
zeitlose Themen behandelt, jenseits der Tagesaktualität. Diese Nische war allerdings
durch das übermächtige National Geographic längst besetzt, und so kam das zweite Ende
nicht wirklich überraschend.
1977 erschien das Buch »LIFE im Krieg«, ein großformatiger 300-Seiten-Wälzer, der die
Kriegsberichterstattung der Zeitschrift zusammenfasste (deutsche Ausgabe 1980). Die
Einleitung startete mit dem bekannten Zitat Robert Capas:
»Wenn deine Bilder nicht gut sind, bist du nicht nahe genug herangegangen.«
Eine Stärke des Buches war die Beschränkung auf das, was ursprünglich in LIFE
publiziert worden war. Etwas penetrant war die Glorifizierung der Kriegsberichterstatter
als Menschentypus, der zwar immer wieder am Sinn seines Tuns zweifelt, dann aber doch
professionell bis heldenhaft seiner Aufgabe nachgeht, so wie Capa.
Das Buch erschien zu einer Zeit, als es keine Kriege gab, über die in ähnlicher Weise
hätte berichtet werden können wie über den Vietnamkrieg. Unter Reportern war und ist
man sich weitgehend einig, dass die Bilder aus Vietnam den Protest in der Bevölkerung
stimuliert und somit zum Rückzug der US-Army beigetragen haben. Es war "das Goldene
Zeitalter des Fotojournalismus", so Wolfram Steinberg, Bildchef von
Associated Press Deutschland, im letzten Mai auf dem Symposium
»Digitales Bild - Bildung des Digitalen« der Deutschen Gesellschaft
für Photographie.
Dass die Militärs dies genauso sahen und deshalb zukünftig mit Zensurbestrebungen zu
rechnen sei, wurde vor 25 Jahren noch nicht diskutiert. Im Falklandkrieg zwischen dem
Vereinigten Königreich und Argentinien exerzierte das britische Militär jedoch schon bald
vor, wie Bilder militärkompatibel gesteuert werden können.
Der Stern publizierte 1983 den Band "Bilder vom Krieg, 130 Jahre Kriegsfotografie -
eine Anklage». Das Buch war ähnlich umfangreich wie «LIFE im Krieg" und durchweg in
düsterem, schwarzweißem Layout gehalten. Immer wieder bezogen sich Texte und
Bebilderung auf das zuvor erschienene Buch von LIFE, ohne es allerdings explizit zu
nennen. Die Rolle der Kriegsfotografen wurde differenziert beschrieben, einschließlich
der morbiden Attraktivität, die Kriege auf manche Reporter auszuüben scheinen. Während
im LIFE-Buch ein dynamisch fotografierender Michael Rougier abgebildet war, sah man
beim Stern das komplette Bild, Rougier zusammen mit John Dille auf einem Jeep. Zwei
nackte Männer und drei Stahlhelme - »War is Fun«.
»The Power and the Glory« unterscheidet sich von dem älteren LIFE-Buch thematisch
dadurch, dass es in ihm nicht um die Rolle des Kriegsberichterstatters geht. Die Einleitung
stammt von Senator Bob Dole, der im April 1945 in Italien selbst schwer verwundet
wurde, »a true American hero«. Er beschäftigt sich allein mit der Geschichte der
US-Streitkräfte und seinen persönlichen Erfahrungen. Zum Schluß zitiert er das
West-Point-Motto »Duty-Honor-Country« und schließt mit den Worten: "After 200 years,
the words have lost none of their magic. God Bless America." Ganz eindeutig: hier liegt
ein Buch vor, das von Amerikanern für Amerikaner verfasst wurde. Auch dieser
Tunnelblick unterscheidet es von seinem Vorgänger. Der Klappentext lässt Schlimmes
ahnen.
"Army. Navy. Marine Corps. Air Force. From the founding of the nation to the
march through Afghanistan, they have preserved, protected and defended American
liberty. Their gallantry is stirring to behold, as the pictures and stories in this book
prove. ..."
Innen geht es jedoch eher beschaulich zu. Keine Tschingderassabumm-Propaganda,
allerdings auch nichts wirklich Kritisches. Das Engagement in Vietnam sei ein »Fehler«,
ein »Irrtum« gewesen. Nirgends fällt das Wort »NATO« oder andere Hinweise darauf,
dass die USA Verbündete haben. Reine Nabelschau.
Larry Burrows hat mit seinen Farbfotos die ästhetische Rezeption des Vietnamkrieges
maßgeblich geprägt. Seine Bilder dürfen nicht fehlen, aber seine stärksten Bilder werden
nicht gezeigt, wie etwa das der beiden verletzten, dreckverschmierten GIs, das für das
»LIFE im Krieg«-Titelbild ausgewählt worden war. Die Auswahl »weicher Bilder« bricht
eklatant mit der originären Tradition der Zeitschrift LIFE. In »LIFE im Krieg« war zu
lesen, wie die Illustrierte 1938 auf Leserzuschriften reagiert hatte, in denen die
Publikation von Bildern von Toten aus dem Spanischen Bürgerkrieg moniert worden war:
"LIFE kann die Bilder von diesen Ereignissen nicht ignorieren oder unterdrücken.
Sie haben als Ereignis ihre eigene Autorität, die schwerer wiegt als alle taktischen
Erwägungen eines Chefredakteurs und alle Empfindlichkeiten seiner Leser."
Aus Afghanistan sind in dem neuen Buch nur zwei Bilder zu sehen: eine Transportflugzeug
beim Start und der leere Laderaum eines Flugzeugs von innen. Und nur vereinzelte
Amerikaner, keine Afghanen, keine Verbündeten. Ist das die ganze bildmäßige "Autorität
der Ereignisse» des «Krieges gegen den Terror"?
Mit knapp 130 Seiten ist »The Power and the Glory« bemerkenswert dünn für ein
illustriertes Werk über eine 200jährige ruhmreiche Geschichte. Vor allem Dokumente der
letzten zwanzig Jahre sind erstaunlich wenig vertreten. Fast hat man den Eindruck, die
Herausgeber wären bei der Realisierung des Buches zunächst flott gestartet und hätten erst
nach dem Überschreiten des Point-of-No-Return gemerkt, wie wenig Verwertbares sie
von modernen Konflikten auffinden konnten. Auf Bilder der im Golfkrieg
zusammengeschossenen irakischen LKW- und Panzerkonvois und die verbrannten Leichen
wollten sie offensichtlich verzichten.
So macht die Publikation einen unfertigen Eindruck, selbst wenn die rein amerikanische
Perspektive des Buches berücksichtigt wird. Aber vielleicht ist gerade dem Unfertigen zu
verdanken, dass die Rückseite des Einbands von einem seltsamen, fast schon absurden
Foto aus dem Golfkrieg geziert wird. Ein Soldat trägt ein sauberes Sternenbanner, er
marschiert voran, weg vom Betrachter. Er ist ganz allein. Da ist auch kein Feind zu sehen,
dem er fest entschlossen entgegentritt, oder die Überreste der Besiegten, die er
triumphierend abschreitet. Er marschiert einfach ohne erkennbares Ziel in die Wüste, mit
Gewehr und Fahne, wohin auch immer.
Pressefotografen arbeiten inzwischen überwiegend digital, mit dem Internet steht ein
neues, potenziell bildhungriges Medium zur Verfügung, das sie in Realtime beliefern
können. Ihre Bilder können praktisch so schnell veröffentlicht werden, wie die des
Fernsehens. Das könnte eine Renaissance der Kriegsberichterstattung bewirken. Nicht nur
die Zensur staatlicher Autoritäten steht dem entgegen. Die Wirklichkeit sei viel
schrecklicher, als sie uns von der Presse gezeigt würde, hob Steinberg auf dem
DGPh-Symposium hervor. Es gäbe sie auch heute noch, die unabhängig arbeitenden
Fotografen, aber ihre Bilder würden meist nicht gezeigt. Die deutsche Presse sei seiner
Ansicht nach wohl weitgehend der Meinung, ihren Lesern vieles nicht zumuten zu dürfen,
sie sei deshalb anfällig für Selbstzensur.
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