Die Wahrheit
Alles Lüge!
Vorgeschichte
Seit Tausenden von Jahren bestehen menschliche Gesellschaften aus
einzigartigen, in einer Art von 'verordneter Absprache' gewobenen
Lügengeflechten, letztlich zum Schaden der Mehrheit und zum Wohle
einer mehr oder minder kleinen Schicht gesellschaftlicher Nutznießer.
Am Anfang stand die Erfahrung, daß der gemeinschaftliche Nahrungserwerb
(sammeln, jagen) erfolgreicher sein kann als der individuelle. Ähnliche
Vorgehensweisen zur Beschaffung von Unterkünften und anderen
Notwendigkeiten zur Befriedigung der Grundbedürfnisse schlossen sich an.
So weit, so gut.
Größere Gruppe - größerer Erfolg? Anscheinend ja! Der Faktor 'Macht'
kam ins Spiel.
Gemeinschaftliches Vorgehen, z.B. bei der Jagd, hat Vorbilder in der
Tierwelt - viele denken dabei sogleich an ein Löwenrudel. Aber Menschen
entwickelten eine äußerst differenzierte Möglichkeit zur Verabredung
gemeinsamer Handlungen: die Sprache. Damit kam ein ganz neuer Faktor
ins Spiel.
Die Sprache ermöglicht es, eine prinzipiell beliebig große Gruppe von
Menschen zu einem einzigen, übermächtigen Organismus zusammen- und
gleichzuschalten. Das Bild vom Ameisenhaufen drängt sich auf. Wie
schwach auch immer das einzelne Individuum sein mag - die Masse scheint
stark über alle Maßen!
Die Evolution hatte sich entschieden, ein unerhörtes Experiment
durchzuführen und damit eine neue Richtung einzuschlagen.
Bislang mußten Organismen durch - langsame - Mutationen und
verlustreiche Ausleseprozesse eine allmähliche Anpassung durchlaufen
an die sich wandelnden Umweltbedingungen.
Durch eine übermäßige Entwicklung des Zentralnervensystems zur
riesenhaften Denkdrüse 'Gehirn' konnten sich die Primaten, und unter
ihnen vor allem die Menschen, beispielsweise veränderlichen Klimafaktoren
wesentlich schneller anpassen, als dies je zuvor möglich war - anstelle
vieler Generationen genügten nun mitunter schon einige Jahre.
Statt ein stärkeres Fell gegen Kälte hervorzubringen, konnte man lernen,
ein ebensolches oder sogar überlegenes Fell einer anderen Kreatur
wegzunehmen, indem man sie dafür tötete.
Dieser Vorgang ist bereits so komplex, daß er nur durch Absprachen und
mittelbares Lernen möglich wird - andere Individuen machen stellvertretend
Erfahrungen und teilen sie dann bei Bedarf mit.
Verständigung verstärkt Macht - aber auf Kosten individueller Beteiligung.
Ein Teil des Lebens wird nicht mehr selbst gelebt, sondern von anderen.
Erfahrungen werden nicht mehr alle selbst gemacht, sondern lediglich
durch andere vermittelt. Authentizität muß aufgegeben werden - man bedient
sich anderer. Man gebraucht andere. Ein kleiner Schritt, und man
mißbraucht andere.
Damit tritt der Mensch aus den Reihen seiner Mitgeschöpfe heraus.
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