Aber es ist mal so Mode. Wie in der Litteratur die „Butzenscheibenpoesie“ florirt und würdige Pedantenherzen nach den Hopsern „altdeutscher“ -Weisen springen läßt, wie unser Publikum solche Kindereien „frisch“ findet und das Maskengefiedel für Natur hält, so ahnen auch unsere altdeutsch stilvollen Wohnungsbesitzer nicht, daß sich Dürer oder Holbein den Leib vor vergnüglichem Lachen halten würden, sähen sie unserem permanenten Karneval zu. Leute, die sich über die Schweizergarde des Papstes in Rom vornehm belustigen, pflanzen sich Landsknechte aus Majolika unter Bronzeteller mit grimmigen Ritterbildnissen; friedfertige Kaufleute, denen das Schaufenster eines Gewehrladens schon Unbehagen erweckt, Hausen daheim unter grausigen Hellebarden, Schilden, Schwertern und Morgensternen; Männlein und Weiblein gießen aus Apostelkrügen ihr Bier in altdeutsche Steintöpfe, denen womöglich noch vermittelst einer „echten Renaissance- Jahreszahl“ – etwa 1560 – in köstlicher Naivetät ausdrücklich bescheinigt ist, daß sie in unserem Jahrhundert eigentlich nichts zu suchen haben. Jede Dummheit, die ein altdeutscher Renaissancetischler aus Mißverständniß der Antike oder Gedankenlosigkeit einst verbrochen, wird um so freudiger nachgeschnitzt, je verrückter – ach nein: origineller – sie ist, denn der nachahmende Gewerbekünstler hat sie irgendwo gesehen, sie ist also „echt“, altdeutsch und somit – modern. Und wenn wir einen gescheiten Mann fragen, was er denn eigentlich mit den „altdeutschen Sprüchen“ anfange, die, an den Wänden angebracht, seine Augen zum ewigen Spazierengehen auf ihren Gemeinplätzen zwingen, so erfahren wir als Entschuldigung den Gebrauch unserer Vorfahren aus einer Zeit, da dergleichen eben beim Mangel an Büchern und Zeitschriften noch eine Hauptanregung für den Geist sein mußte!
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