Schuldunfähigkeit ist für mich eine der zwiespältigsten Feststellungen, die es im sozialen Raum zwischen Menschen gibt.
Sie entbindet Menschen von ihrem sozialen und ethischen Erwachsen-Sein, von ihrer Verantwortlichkeit (Fähigkeit, verantwortlich zu handeln), unterwirft sie stattdessen der Gerechtigkeit. (Das Recht wird ihrer festgestellten Unfähigkeit, gemäß der gerade gültigen Normen ganz Mensch zu sein, gerecht.)
Eine Genugtuung für Opfer bietet sie nicht. Deren Frage nach der 'Schuld' eines Täters an der ihnen zugefügten Tat bleibt unbeantwortet. Für Opfer ist das nach ihrer Konditionierung in einem bipolaren Ursache-/Wirkungs- bzw. Profit-/ Schuld-/ Leistungssystem zutiefst unbefriedigend.
Im gesellschaftlichen Raum ist ärgerlich, dass ''Schuldunfähigkeit'' mit steigendem Einkommen und/oder politischem Einfluss exponential zunimmt. In und nach Kriegen und Bürgerkriegen gilt das Opportunitätsprinzip in der Auslegung durch die Sieger, wobei Rechtspositionen sich erstaunlich schnell wandeln bzw. zerfallen können.
Ich möchte nicht entscheiden müssen, ob ich bei einer sanktionsbedrohten Handlung lieber schuldunfähig oder verantwortlich gewesen bin. Vom Zustand der verschiedenen Anstalten, in die ich je nachdem daraufhin weggesperrt werde, ganz abgesehen; die Frage der Schuldfähigkeit von Befehlsempfängern wird mich dort als deprimierendes Untersuchungsprojekt in jedem Fall erwarten.
PS: versteht sich, dass es auch im Blaster Mümmelmänner und andere Schreiber gibt, die bei jedem ihrer entbehrlichen Beiträge unter der Hand auf 'schuldunfähig' plädieren.
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